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Lesen und Schreiben sind keine Selbstverständlichkeit

Für ein selbstbestimmtes Leben sind Kenntnisse in den Grundkompetenzen unabdingbar: Lesen, Schreiben, Rechnen oder der Umgang mit digitalen Medien. Rund 70'000 Erwachsene im Kanton Bern jedoch haben Mühe beim Lesen oder Schreiben einfacher Texte.

Eine davon ist Stefania Orlacchio. Sie ist selbstständige Masseurin und ist von einer Rechtschreibstörung betroffen. Im Interview erzählt sie über die Hürden des Alltags, wie sie diese überwindet und von ihren Zielen.

Können Sie beschreiben, welche Alltagssituationen für Sie schwierig sind und wie Sie damit umgehen?

Stefania Orlacchio: Ich habe vor allem dann Schwierigkeiten im Alltag, wenn ich E-Mails schreiben muss. Zum Beispiel eine schriftliche Reklamation. Meistens kann ich meine Gedanken nicht so aufschreiben, wie ich möchte, oder finde nicht die richtigen Worte. Diese Herausforderung probiere ich mit Hilfsmitteln wie Google, Rechtschreibkorrekturprogrammen oder KI zu meistern.

Hat der Lese- und Schreibkurs, den Sie besucht haben, etwas verändert?

Stefania Orlacchio: Ja. Denn im Grundkompetenzenkurs habe ich gelernt, mir mehr Zeit beim Schreiben und Lesen zu nehmen. So erkenne ich Fehler besser und kann die gelernten Regeln anwenden.

Was oder wer motivierte Sie, sich für ein Grundkompetenzenkurs anzumelden?

Stefania Orlacchio: Ich habe verstanden, dass ich jetzt meine Zeit nutzen und meine Komfortzone verlassen muss. Ich habe der Wahrheit ins Auge geschaut und mir gegenüber zugegeben: «Ich habe Mühe mit Schreiben.» Meine grösste Motivation war letztlich meine Ehrlichkeit zu mir selbst.

Hat Ihnen der Besuch im Grundkompetenzenkurs gefallen?

Stefania Orlacchio: Der Kurs war voll mit Aha-Momenten! Daher: ein grosses JA! Er hat mir sehr gefallen.

Hat sich durch den Kurs für Sie etwas verbessert?

Stefania Orlacchio: Die grössten Verbesserungen sind, dass ich gelernt habe, keine Angst vor Schreibfehlern zu haben und dass ich mir die Zeit nehmen darf, die ich brauche.

Empfehlen Sie anderen Betroffenen einen Kursbesuch? Wenn ja, wieso?

Stefania Orlacchio: Ich empfehle allen einen Grundkompetenzenkurs zu besuchen, die mit dieser Unsicherheit leben. Die Freiheit, die man dadurch gewinnt, ist ein grosses Geschenk.

Worin liegen Ihre Stärken?

Stefania Orlacchio: Jeder Mensch hat Stärken und Schwächen. Meine Stärke liegt – in Bezug auf die Grundkompetenzen – eher im Klein-und-Grossschreiben.

Was gibt Ihnen Mut weiterzulernen?

Stefania Orlacchio: Mein Wunsch ist es, mich für die Berufsmatur anzumelden. Daraus ziehe ich Kraft, weiterzumachen und weiterzulernen. 

Was möchten Sie anderen betroffenen Personen mitteilen?

Stefania Orlacchio: Wenn du deine Komfortzone kennst und an dieser Grenze arbeitest, kannst du nur gewinnen (lacht).

Was möchten Sie Personen sagen, die noch nie etwas über Grundkompetenzen gehört haben?

Stefania Orlacchio: Ich würde mit kleinen Beispielen anfangen und ihnen da einfache Tricks zeigen. Spielerische Übungen helfen dabei, die Grammatikregeln zu verstehen und so beispielsweise nie mehr zu vergessen, wie ich «das» und «dass» oder «wieder» und «wider» unterscheiden kann. 

Weitere Interviews    

Die Sensibilisierungskampagne «Einfach besser!» will Erwachsene mit Lücken in den Grundkompetenzen ansprechen und für einen Grundkompetenzen-Kurs motivieren. Gleichzeitig wird die Bevölkerung über Grundkompetenzen sensibilisiert.

Hotline für Betroffene: 0800 474 747

Informationen und Bildungsangebote für Betroffene

Aline Leitner & Fabienne Müller

Fotos: Florian Spring

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