Zwischen 2014 und 2018 hat der Archäologische Dienst des Kantons Bern in der Flur Löörezälgli in Orpund Rettungsgrabungen durchgeführt. Ausgelöst wurden sie durch den Bau des Autobahnanschlusses Orpund. Finanziert hat die Rettungsgrabungen – wie beim Nationalstrassenbau üblich – das Bundesamt für Strassen (ASTRA). In der Kernzone der Untersuchungen fanden sich Ablagerungen mit reichem Fundmaterial aus der älteren Eisenzeit (frühe Hallstattzeit, Mitte 8. Jh. v. Chr.).
Exakt datierte Fundstelle
Die Fundstelle am Ufer des Orpundbaches entpuppte sich für die Archäologie als Glücksfall: Der Siedlungsschutt aus der älteren Eisenzeit stand im Einfluss des Fliessgewässers. Die dauernde Feuchtigkeit führte zu idealen Erhaltungsbedingungen. Entsprechend konnte der Archäologische Dienst nicht nur viel Keramik, sondern auch selten erhaltene Objekte aus Holz, Hirschgeweih und Sedimentgestein (Kaustobiolith) bergen. Ebenso erhalten blieben zwei in die Schichten eingeschlagene Reihen von Eichenpfählen. Sie konnten mittels Jahrringmessungen in die Jahre 725 und 723 v. Chr. datiert werden. Danach wurde das Gelände nicht mehr als Abfallhalde genutzt. Als bisher einziger exakt datierter Komplex dieser Zeit in der Schweiz nehmen die Funde aus Orpund eine bedeutende Stellung in der Erforschung der sogenannten Hallstattzeit ein.
Fundmaterial zeigt weitreichende Beziehungen
Unter den über 400 unterschiedlichen Keramikgefässen lassen sich sowohl Einflüsse aus Ostfrankreich als auch Beziehungen ins zentrale Schweizer Mitteland (hier das Gebiet zwischen Solothurn und Zürich) beobachten. Mehrere Armringe aus Sedimentgestein wurden aus England importiert. Auch das Rohmaterial zweier Glasperlen dürfte importiert worden sein. Zeugen lokalen Handwerks sind neben der ausgezeichnet erhaltenen Keramik ein Fassreif aus einem Wacholderast, ein Konus aus Eichenholz, der vielleicht als Stöpsel zum Verschliessen eines Gefässes diente, sowie Werkzeuge aus Felsgestein, Hirschgeweih, Silex und Bronze.
Erkenntnisse zu Landschaft und Ernährung in der Eisenzeit
Die Funde geben Einblicke in den eisenzeitlichen Alltag. Naturwissenschaftliche Untersuchungen der Sedimentablagerungen sowie Analysen der eingelagerten Pollen, der botanischen Grossreste und der Tierknochen ergänzen die Untersuchungen und liefern ein detailliertes Bild der eisenzeitlichen Landschaft und der Ernährungsgewohnheiten der damaligen Bevölkerung.
Angaben zur Publikation
Marianne Ramstein, Die hallstattzeitliche Schutthalde von Orpund. Ein absolut datierter Fundkomplex des 8. Jahrhunderts v. Chr. Hefte zur Archäologie im Kanton Bern 14. Bern 2024. 324 Seiten, 202 Abbildungen. Preis: 36 Franken. ISBN 978-3-9525608-6-0.
Erhältlich beim Archäologischen Dienst des Kantons Bern, adb.sab@be.ch, Tel. 031 633 98 00 oder im Buchhandel.
Öffentliche Buchpräsentation
Am Mittwoch, 30. Oktober 2024, 18 Uhr, findet im Neuen Museum Biel (NMB), Seevorstadt 52, in Biel/Bienne eine öffentliche Buchpräsentation statt. Mit Sibylle Birrer, Vorsteherin Amt für Kultur, Bildungs- und Kulturdirektion des Kantons Bern; Ludivine Marquis, Kuratorin Archäologie Neues Museum Biel; Alexander von Burg, Bundesamt für Strassen (ASTRA), Fachstelle Archäologie/Paläontologie, und Adriano Boschetti, Leiter Archäologischer Dienst des Kantons Bern, Kantonsarchäologe. Den thematischen Schwerpunkt der Veranstaltung bildet ein Vortrag von Marianne Ramstein, stv. Leiterin Ressort Prähistorische und Unterwasserarchäologie und Hauptautorin des Buches.
Dokumentation
- Cover des Buches «Die hallstattzeitliche Schutthalde von Orpund». (Bild: Archäologischer Dienst des Kantons Bern, Roger Grisiger und Max Stöckli)
- Am Ufer des Orpundbaches wurde ein Schuttpaket mit zahlreichen Funden abgelagert. (Bild: Archäologischer Dienst des Kantons Bern, Khaled Bordji)
- Eine Reihe aus mittels Jahrringmessungen datierten Eichenpfählen (hier Pfahlspitze 388) durchschlägt die Schuttschicht 340. (Bild: Archäologischer Dienst des Kantons Bern, Leonardo Stäheli und Andreas Zwahlen)
- Fragmente eines Keramikgefässes aus der Schutthalde. Die geriefte Schüssel besitzt zahlreiche Parallelen in Ostfrankreich. (Bild: Archäologischer Dienst des Kantons Bern, Roger Grisiger)