Seit 2023 kann die Fachmittelschule (FMS) in Biel zweisprachig absolviert werden – Deutsch-Französisch. Madlaina Bloch und Oceane Neuenschwander haben sich für dieses Modell entschieden. Weshalb? Welche Erfahrungen machen sie damit?
Rolf Marti
Mit welchem Ziel absolvieren Sie die Fachmittelschule?
Madlaina: Ich möchte Lehrerin, später vielleicht Heilpädagogin werden. Der Weg übers Gymnasium wäre möglich gewesen. Allerdings hätte ich die Aufnahmeprüfung machen müssen. Als ich erfuhr, dass man auch via FMS an die Pädagogische Hochschule gelangen kann, wählte ich diesen Weg. An der FMS gefällt mir, dass man Praktika macht und so Einblick in verschiedene Berufsfelder erhält.
Oceane: Ich möchte Medizin studieren und Chirurgin werden. Leider hatte ich keine Empfehlung fürs Gymnasium. Darum habe ich mich für den Weg über die FMS entschieden. Hier kann man das Berufsfeld «Gesundheit» wählen. Nach zwei Jahren kann ich ins zweite Jahr des gymnasialen Lehrgangs wechseln, sofern ich die Aufnahmeprüfung bestehe.
Sie absolvieren den Bildungsgang zweisprachig. Was hat Sie dazu motiviert?
O: Als Romande finde ich es wichtig, dass man auch Deutsch beherrscht. In unserem Land hat man damit mehr Möglichkeiten.
M: Ich liebe Sprachen. Deshalb hat mich der zweisprachige Bildungsgang der FMS Biel-Seeland sofort angesprochen. So erwerbe ich solide Französischkenntnisse.
Wie genau funktioniert der zweisprachige Unterricht?
M: Rund die Hälfte der nichtsprachlichen Fächer wird in Deutsch, die andere Hälfte in Französisch unterrichtet – und zwar von Lehrpersonen mit entsprechender Erstsprache. Die Zuordnung bleibt über den dreijährigen Bildungsgang gleich. Alle Prüfungen erfolgen in der Unterrichtssprache. Nur in den Fächern «Deutsch» und «Französisch» – als Erst- wie als Zweitsprache – sind die Deutschsprachigen bzw. die Französischsprachigen unter sich.
Muss man bilingue sein, um die zweisprachige FMS zu absolvieren?
O: Nein. Ich bin es nicht, und Madlaina auch nicht. Von den acht Schülerinnen und Schülern haben sich fünf mit Muttersprache Deutsch und drei mit Muttersprache Französisch für den Bildungsgang angemeldet. Je zwei sind jedoch bilingue.
Wie herausfordernd ist es, die FMS zweisprachig zu absolvieren?
O: Der Start war schwierig. In den ersten Wochen verstand ich im deutschsprachigen Unterricht nur einzelne Worte. Erst nach dem ersten Jahr konnte ich dem Unterricht problemlos folgen. Jeder Fortschritt spornt an.
M: Ich bin eher introvertiert. Entsprechend musste ich mich zu Beginn überwinden, im Unterricht Französisch zu sprechen – umso mehr, weil ich wusste, dass zweisprachige Schülerinnen und Schüler in der Klasse sitzen. Heute fällt mir das leichter.
Wieviel Zusatzaufwand verursacht das zweisprachige Lernen?
O: Zu Beginn musste ich viel Übersetzungsarbeit leisten. Das hat mich geschätzt rund 40 Prozent mehr Zeit gekostet. Heute ist es deutlich weniger.
M: Man hat definitiv mehr Aufwand. Beispiel Mathematik: Bevor man sich auf die Lösung konzentrieren kann, muss man die Aufgabenstellung verstehen – nicht einfach in einer Fremdsprache. Hinzu kommen in den ersten zwei Jahren obligatorische Zusatzlektionen gegenüber dem normalen FMS-Lehrgang. In diesen wird der Fachunterricht aufgearbeitet und der Wortschatz aufgebaut.
Entstehen Freundschaften über die Sprachgrenzen hinweg?
M: Ja, heute schon. Zu Beginn bewegten wir uns mehrheitlich innerhalb der eigenen Sprachgruppe.
Welche Sprache sprechen Sie auf dem Pausenplatz?
O: Wir sprechen meist unsere Muttersprache, die bilinguen Schülerinnen und Schüler passen sich an. Es kann aber vorkommen, dass wir Französisch und Deutsch durcheinander sprechen.
Was erhoffen Sie sich von der Zweisprachigkeit für Ihren beruflichen Werdegang?
M: Zweisprachigkeit macht sich gut im Lebenslauf – hilft also bei Bewerbungen … (schmunzelt). Zudem ist sie in einer Region wie Biel auch im Alltag von Nutzen.
O: Wer Deutsch und Französisch spricht, hat mehr Möglichkeiten. Ich kann mir beispielsweise vorstellen, in der Deutschschweiz zu studieren.
Wem würden Sie den zweisprachigen FMS-Lehrgang empfehlen?
M: Allen, die gerne Sprachen haben und motiviert sind, etwas mehr als der Durchschnitt zu leisten. Man muss in der Volksschule nicht ausgezeichnete Noten in der Fremdsprache haben, um in die zweisprachige FMS einzusteigen. Leistungsbereitschaft ist wichtiger als Sprachkompetenz.
Infobox
Der zweisprachige Fachmittelschulbildungsgang richtet sich an Schülerinnen und Schüler, die ihre Fähigkeiten in Deutsch bzw. Französisch vertiefen möchten. Es werden keine speziellen sprachlichen Vorkenntnisse verlangt. Wichtig sind das Interesse an der anderen Sprache sowie die Bereitschaft, Mehraufwand zu leisten.
www.be.ch/fms-zweisprachig
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