Michael Bieri (20) war Realschüler. Jetzt ist er Berufsweltmeister. An den WorldSkills 2024 in Lyon hat er in der Disziplin «Carpentry» (Zimmerei) Gold geholt. Wie hat er es so weit gebracht? Und: Was bedeutet ihm dieser Erfolg?

Rolf Marti
Sie dürfen sich «bester Zimmermann der Welt» nennen. Herzliche Gratulation! Wie wurden Sie zu Hause empfangen?
Danke für die Gratulation! Die Heimkehr begann bereits in Lyon. Meine Eltern, ein paar Verwandte sowie vierzehn Arbeitskolleginnen und -kollegen waren vor Ort. Da wurde bereits gefeiert. Heimgereist bin ich mit dem Nationalteam. In Genf gab es für das Nationalteam ein Abschlussessen. In Wachseldorn – meiner Wohngemeinde – wurde ich in einem Festzelt von Einwohnerinnen und Einwohnern sowie vom Gemeinderat herzlich begrüsst. Im Dorf hingen Plakate, die Leute trugen teils ein eigens beschriftetes T-Shirt.
Sie haben an den SwissSkills, den EuroSkills und nun an den WorldSkills teilgenommen. Was treibt Sie an?
Meine Leidenschaft für Holz und mein Perfektionismus. Bei Meisterschaften zählt Qualität. Das setzt Leidenschaft und Perfektionismus voraus. Und: Ich bin ehrgeizig, wobei mein Ehrgeiz von Meisterschaft zu Meisterschaft zugenommen hat … (schmunzelt). An den SwissSkills wurde ich Vierter, an den EuroSkills holte ich Silber, an den WorldSkills Gold. Man muss voll dabei sein und alles geben, um seine Ziele zu erreichen.
Wie haben Sie sich auf die Berufsweltmeisterschaft vorbereitet?
Mein Vorbereitungsprogramm beinhaltete vier Trainingswochen in externen Betrieben, wo ich unter Anleitung von Experten und ehemaligen Berufsmeistern den Wettkampf simulierte. Ich erhielt viele wertvolle Tipps und lernte, mich in unterschiedlichen Arbeitsumgebungen zurechtzufinden. Daneben trainierte ich individuell. Bei meinem Arbeitgeber hatte ich einen fixen Arbeitsplatz dafür. Insgesamt investierte ich rund 900 Stunden ins fachliche Training. Hinzu kamen die Wochenenden mit dem Nationalteam sowie das Mentaltraining.
Welche Aufgaben mussten Sie an den WorldSkills lösen?
Wir hatten den Auftrag, ein Modellhaus zu bauen – zirka zwei Meter hoch, zwei Meter lang und eineinhalb Meter breit. Die Arbeit gliederte sich in drei Module: Im ersten Modul entwickelten und bauten wir die Grundkonstruktion, im zweiten Modul das Dach. Im dritten Modul mussten wir das Haus verschalen und einen Terrassenboden verlegen.
Wie lange dauerte der Wettkampf?
Am ersten Tag richteten wir den Arbeitsplatz ein. Dann folgten vier Wettkampftage. Über diese vier Tage waren wir insgesamt 22 Stunden im Einsatz.
Was war der schwierigste Moment während des Wettkampfs?
Der erste Wettkampftag bzw. das Modul eins. Man sieht zum ersten Mal die Pläne und weiss, dass man einen guten Start hinlegen muss. Entscheidend ist, dass man den Grundriss auf der Bodenplatte sinnvoll aufzeichnet. Das ist die Basis für alles Weitere. Ich habe mir für diese Aufgabe bewusst genügend Zeit genommen – auch, um die eingebauten Fallstricke zu erkennen. Der Anfang war anspruchsvoll. Aber danach kam ich in den Flow.
Ist die Goldmedaille ein Booster für Ihre berufliche Laufbahn?
Klar – wobei die Medaille «nur» etwas Materielles ist. Was zählt, sind die Erfahrungen, die man während der Vorbereitung auf die Meisterschaft und im Wettkampf sammelt, sowie der enorme Kompetenzzuwachs, der aus den intensiven Trainings mit Top-Fachleuten resultiert. All das wird mir in meiner beruflichen Laufbahn zugutekommen. Ich will mich auf jeden Fall weiterbilden. Und ich will meine Leidenschaft für den Beruf weitergeben und junge Leute dafür begeistern.
Sie haben in einem Interview gesagt, Sie seien kein guter Schüler gewesen. Jetzt sind Sie Weltmeister. Was macht das mit Ihnen?
Es stärkt mein Selbstvertrauen und macht mich stolz. Als Realschüler war die Lehrstellensuche nicht einfach. Glücklicherweise fand ich mit der Santschi Holzbau GmbH in Uetendorf einen Lehrbetrieb, der mein praktisches Talent und meine Motivation höher gewichtete als gute Schulnoten. Die Lehre war für mich ein Neustart. Ich habe Vollgas gegeben und sehe jetzt, dass es sich gelohnt hat. Harte Arbeit zahlt sich aus.
WorldSkills 2024: Schweiz die Nummer 3 der Welt
Das Schweizer Nationalteam schnitt an den WorldSkills 2024 in Lyon (10. bis 15. September) überaus erfolgreich ab. Die Bilanz: 7 Gold-, 7 Silber- und 1 Bronzemedaille sowie 21 Diplome (Medaillons for Excellence). Damit belegt die Schweiz in der Nationenwertung den dritten Platz hinter China und Korea. Die Schweiz war in 41 Wettbewerben am Start, das Team umfasste 45 Teilnehmende.
www.swiss-skills.ch
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