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Vorlehre «Sie bietet einen sanfteren Einstieg in die Branche»

Die Vorlehre bereitet auf den Einstieg in eine berufliche Grundbildung vor. Wann ist sie sinnvoll und notwendig? Wann ist eher ein direkter Einstieg in die Lehre angesagt? Im Gespräch mit Joseph Isabella, Mittelschul- und Berufsbildungsamt MBA.

«Die Schnupperlehre liefert wertvolle Hinweise»: Joseph Isabella.
«Die Schnupperlehre liefert wertvolle Hinweise»: Joseph Isabella.

       

Peter Brand

Herr Isabella, für wen eignet sich grundsätzlich eine Vorlehre?
Sie unterstützt Personen, die sich auf den Einstieg in eine Lehre vorbereiten möchten. Wenn ein Eignungstest ergibt, dass die schulischen Kenntnisse noch unzureichend sind, ermöglicht die Vorlehre, gezielt an diesen Defiziten zu arbeiten. Zudem kann es sein, dass der Einstieg in eine berufliche Grundbildung für jemanden zu früh kommt. Nach einer Lehrvertragsauflösung kann die Vorlehre eine Möglichkeit sein, in einen neuen Betrieb oder eine neue Ausbildung einzusteigen.

Wie lässt sich zuverlässig abschätzen, ob jemand eine Vorlehre braucht oder ob ein Direkteinstieg möglich ist?
Wertvolle Hinweise liefert die Schnupperlehre. Je nach Ausgestaltung fliessen neben der praktischen Eignung auch die Zeugnisse der obligatorischen Schule sowie branchenspezifische Eignungstests in die Bewertung ein. Die Beurteilung jedes dieser Mosaiksteine ist von grosser Bedeutung. Insbesondere bei schulischen Defiziten in Sprache oder Mathematik kann eine Vorlehre sinnvoll sein, wenn die Ergebnisse nahe an den erforderlichen Kenntnissen liegen. Deutliche Abweichungen von den von der Branche festgelegten Testwerten können darauf hinweisen, dass die Berufswahl überdacht werden sollte.

Branchentests bzw. Abklärungen kennt auch die Elektroinstallationsbranche, für deren Berufe Sie viele Jahre als Ausbildungsberater zuständig waren. Mal angenommen, eine Ausbildung als Montage-Elektriker/in EFZ steht zur Diskussion. Inwiefern bringt diese Abklärung Klarheit in Bezug auf das Potenzial?
Sie bewertet die mathematischen Kompetenzen gemäss den Anforderungen der Elektroinstallationsberufe und orientiert sich an den Kompetenzbereichen und -stufen des Lehrplans 21. Sie zeigt das Potenzial von Jugendlichen, das sie am Testtag abrufen können. Die Abklärung liefert auch Hinweise auf mögliche Farbenblindheit. Zudem bewertet sie das Vorstellungsvermögen, die Konzentrationsfähigkeit, das technische Verständnis und weitere relevante Fähigkeiten. Abschliessend wird eine Empfehlung ausgesprochen. Eine Aussage über die praktische Eignung wird jedoch nicht gemacht.

Ist es aus Ihrer Erfahrung ratsam, sich im Zweifelsfall eher an die Abklärungsresultate zu halten?
Grundsätzlich ja. Dies sage ich vor allem im Hinblick auf die Anzahl an Lehrvertragsauflösungen oder Lehrjahrwiederholungen, die wir verzeichnen. Kommt es so weit, werden solche Ereignisse von den Lernenden oft als Misserfolg empfunden. Und dies kann ihnen die Freude am gewählten Beruf trüben und die Motivation zur Ausbildung beeinträchtigen. Wer im Zweifelsfall hingegen mit der Vorlehre beginnt, kann seinen Weg in Ruhe gehen, ohne Überforderung einen Schritt nach dem anderen tun, seine Schullücken schliessen und positive Lernerfahrungen sammeln. Das wiederum stärkt das Selbstvertrauen und motiviert, die Ausbildung mit Freude zu absolvieren.

Unter Umständen kann aber auch bei knappen schulischen Leistungen ein direkter Einstieg in die Ausbildung gelingen ...
Das ist so. Aber dann ist die Unterstützung des Lehrbetriebs und der gesetzlichen Vertretung unabdingbar, damit sich Fortschritte einstellen. Diese Unterstützung kann bereits im letzten Schuljahr der obligatorischen Schule einsetzen oder auch erst nach direkt erfolgtem Einstieg in die Lehre erfolgen.

Welches sind die Vorteile eines «vorbereitenden Einstiegs» mit einer Vorlehre?
Sie bietet einen sanfteren Einstieg in die Branche, da der Leistungsdruck sowohl im Betrieb als auch in der Berufsfachschule geringer ist und keine qualifizierenden Tests erfolgen, die in das Qualifikationsverfahren einfliessen. Dies kommt nicht nur den Lernenden zugute, sondern kann sich auch für die Lehrbetriebe als vorteilhaft erweisen. In einer Vorlehre können die Lehrbetriebe bei unsicherer Berufseignung über einen längeren Zeitraum hinweg hinschauen.

Ist die Vorlehre vor allem in Branchen, die keine zweijährigen EBA-Ausbildungen bereitstellen, eine wertvolle Alternative?
Nicht nur. Auch in Branchen, welche Stufenberufe von zwei- bis vierjährigen Ausbildungen anbieten, kann eine Vorlehre durchaus sinnvoll sein. Vor allem wenn die Ergebnisse und Erkenntnisse der Schnupperlehre darauf hindeuten, dass die Leistungen für eine zweijährige Ausbildung zu knapp sind.

Die Vorlehre

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