Tamino Steffen (27) hat das Gymnasium absolviert und vier Semester studiert. Doch die Universität war nicht sein Ding. Heute macht er eine Lehre als Maurer – und ist rundum zufrieden mit seiner Berufswahl. Im Sommer schliesst er die Ausbildung ab.

Rolf Marti
Sie haben nach der Volksschule das Gymnasium absolviert. War eine berufliche Grundbildung in der Zeit der Berufswahl kein Thema für Sie?
Nein. Damals war für mich klar, dass ich das Gymnasium machen und danach Medizin studieren würde. Aber daraus wurde nichts. Ich bin am Numerus Clausus – also an den Zulassungsbedingungen – gescheitert.
Sie haben aber vier Semester studiert. Welche Fächer?
Zuerst zwei Semester Psychologie, Kriminologie und Neurowissenschaften. Das war spannend. Aber wenn mich jemand fragte, mit welchem Ziel ich diese Fächer studierte, wusste ich keine Antwort. Dann studierte ich zwei Semester Erdwissenschaften. Aber auch da hatte ich kein klares Berufsziel. Kurz: Ich wurde an der Uni nicht glücklich.
Heute absolvieren Sie die Lehre als Maurer EFZ. Wie sind Sie darauf gekommen, einen handwerklichen Beruf zu erlernen?
Während der Studienzeit arbeitete ich gelegentlich bei einem Eventbauer. Abends war ich erschöpft, aber zufrieden mit mir und dem Tag – weil sich körperlich arbeiten gut anfühlt und weil man am Ende des Tages ein sichtbares Resultat hat. Also suchte ich nach dem Studienabbruch eine handwerkliche Arbeit, nahm einen Job in einem Maurergeschäft an, fand Gefallen an diesem Gewerbe und entschloss mich, die Maurerlehre zu machen. Bei der Wirz AG Bern bekam ich nach einer Schnupperwoche einen Lehrvertrag.
Was gefällt Ihnen am Maurerberuf?
Er ist abwechslungsreich sowie handwerklich und kognitiv anspruchsvoll. Jede Baustelle bringt neue Herausforderungen mit sich, die mit Köpfchen und Geschick gemeistert werden wollen. Zudem ist Präzision gefragt. Wir arbeiten auf den Millimeter genau. Das gefällt mir.
Wie hat Ihr Umfeld auf Ihren Wechsel reagiert?
Meine Eltern und meine Partnerin fanden meine Entscheidung super. Sie spürten, dass es mir an der Uni nicht gut ging. Jetzt freuen sie sich, dass ich im gewählten Beruf auflebe. Für meine Eltern war nie wichtig, welchen Beruf ihre Kinder ergreifen. Hauptsache, sie machen eine Ausbildung und werden glücklich.
Wie wurden Sie als ehemaliger Student auf dem Bau aufgenommen?
Sehr gut. Wir haben ein tolles Team und eine ausgezeichnete Unternehmenskultur. Ich spürte null Vorbehalte mir gegenüber. Es macht richtig Spass, in diesem Umfeld zu arbeiten.
Wo sehen Sie die grössten Unterschiede zwischen der akademischen Welt und der praktischen Arbeit auf dem Bau?
An der Uni ist man Einzelkämpfer, auf dem Bau Teamplayer. Studieren kann man allein, ein Bauprojekt kann man nur gemeinsam umsetzen. Und: Auf dem Bau kann ich das Wissen aus der Berufsfachschule und den überbetrieblichen Kursen unmittelbar anwenden und so nachhaltig verankern. Dieser Praxisbezug hat mir an der Uni gefehlt.
Welchen Wert hat Ihre breite Allgemeinbildung im Rahmen der Lehre?
Ich habe am Gymnasium und an der Uni gute Lernstrategien entwickelt und weiss, wie ich effektiv lernen kann. Auch meine Vorbildung in Geometrie sowie die Fähigkeit, abstrakt zu denken, sind wertvoll. Das hilft mir, komplexe Pläne zu lesen und mir bildlich vorzustellen, wie die Umsetzung aussehen muss. Hinzu kommen strukturelle Vorteile: Ich kann die Lehre in zwei statt in drei Jahren absolvieren und bin vom allgemeinbildenden Unterricht und der Vertiefungsarbeit dispensiert.
Im Sommer schliessen Sie die Lehre ab. Wie sehen Ihre Pläne für danach aus?
Ich möchte bei der Wirz AG bleiben und mich zum Vorarbeiter, später zum Polier weiterbilden. Die Branche bietet viele Entwicklungsmöglichkeiten. Vielleicht studiere ich später sogar Architektur.
Was raten Sie Jugendlichen, die unsicher sind, ob sie nach der Matura studieren wollen?
Ich kam lange Zeit gar nicht auf die Idee, dass man nach dem Gymnasium eine Lehre machen könnte. Ich hatte auch Vorurteile gegenüber handwerklichen Berufen. Zu Unrecht. Handwerk ist auf andere Art anspruchsvoll und bietet gute berufliche Perspektiven. Ich rate zu Unvoreingenommenheit gegenüber der Berufsbildung. Ich habe auf dem Bau meine Berufung gefunden.
Bauberufe
Mauer/-in EFZ ist einer von vielen Bauberufen. Über die verschiedenen beruflichen Grundbildungen im Baugewerbe sowie die vielfältigen Weiterbildungsmöglichkeiten informiert die Website.
bauberufe.ch.
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