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Lernende in Ruanda — «Wir haben einfach vorgemacht, wie man in der Schweiz Brot bäckt»

Nuria Jufer und Malina Ernst lernen Bäckerin-Konditorin. 2023 reisten sie mit sieben weiteren Lernenden im Rahmen eines von der Agentur Movetia mitfinanzierten Bildungsaustauschs nach Ruanda. Das Ziel: Know-how-Transfer. Im Interview berichten die jungen Frauen von ihren Erlebnissen.

Nuria Jufer (Zweite v. l.) und Malina Ernst (Dritte v. l.) und haben am Bildungsaustausch mit Ruanda teilgenommen.

       

Rolf Marti

Sie sind 2023 für einen Monat nach Ruanda gereist, um Berufsleute und Lernende im Brot backen anzuleiten. Wie kam es dazu?
Jufer: In unserer Berufsfachschule lag ein Flyer des Projekts «Sangira» auf. Wir fanden: Das ist eine gute Sache – obwohl wir zu Beginn etwas skeptisch waren. Nach einem Video-Call mit den Projektverantwortlichen war uns jedoch klar: Da wollen wir mitmachen.
Ernst: Allerdings mussten wir noch unsere Vorgesetzten überzeugen … (lacht). Nachdem sie sich selber mit dem Projekt befasst hatten, waren sie sehr unterstützend und haben uns die Erlaubnis erteilt. Für mich und Nuria war es die Chance, ein neues Land, eine fremde Kultur kennenzulernen.

Was war das Ziel Ihres Aufenthalts, worin bestand der Auftrag?
Jufer: Im Zentrum stand der Know-how-Transfer. Wir sollten Berufsleuten und Lernenden zeigen, wie man in der Schweiz bäckt – angefangen bei der fachgerechten Lagerung der Rohstoffe über die Zusammenstellung der Rezepturen bis hin zur Zubereitung der Teige. Dabei ging es primär um Brote. Confiserieprodukte sind in Ruanda eher Luxusgüter.

Wie sah Ihr Programm in Ruanda aus?
Ernst: Zuerst waren wir zwei Wochen in der Berufsfachschule von Sangira in Nyamasheke, einer ländlichen Region. Danach waren wir zwei Wochen in der Hauptstadt Kigali. Dort haben wir in Bäckereien und Hotels gearbeitet und unser Know-how an Berufsleute weitergegeben.

Konkret: Wie haben Sie das Know-how vermittelt?
Ernst: Die Kommunikation war schwierig – insbesondere mit den Lernenden in der Berufsfachschule. Wir beherrschten die lokale Sprache nicht, sie kaum Englisch. Wir haben daher wenig Theorie vermittelt, sondern einfach vorgemacht, wie man in der Schweiz Brot bäckt. Sie haben es nachgemacht und die Rezepte aufgeschrieben.

Wie wurden Sie in Ruanda aufgenommen?
Jufer: Die Leute waren überaus offen und interessiert. Etwas zurückhaltender war die Verantwortliche an der Berufsfachschule.

Ernst: Es gab auch Momente, wo wir mit den Lernenden – im Rahmen der sprachlichen Möglichkeiten – über Privates reden konnten. Einmal nahm uns eine junge Frau mit nach Hause. Das war eindrücklich. Sie ist jeden Tag sechs Stunden zu Fuss unterwegs, um zur Berufsfachschule zu gelangen – drei hin, drei zurück. Das kleine Haus, in dem sie lebt, teilt sie mit zehn Menschen. Es gibt keine Betten, gekocht wird draussen.

Wo sehen Sie die grössten Unterschiede zwischen dem Lernen, wie Sie es aus der Schweiz kennen, und dem, was Sie in Sangira erlebt haben?
Jufer: Das Bildungssystem ist komplett anders. Alles ist viel weniger strukturiert als in der Schweiz. Auch die Infrastruktur in der Berufsfachschule Nyamasheke ist einfach. Es gibt eine Küche, einen gasbetriebenen Ofen, ein paar Tische und eine kleine Knetmaschine. Aber meist mussten wir von Hand kneten.
Ernst: In der Schweiz erwerben die Lernenden viele Basics im Lehrbetrieb. In Nyamasheke gehen sie ausschliesslich zur Schule. Sie lernen alles dort, auch grundlegenden Regeln, die wir im Lehrbetrieb mitbekommen – beispielsweise in Bezug auf Hygiene.

Was haben Sie in Ruanda gelernt, was Ihnen im Leben von Nutzen sein wird?
Jufer: Ich habe auf persönlicher Ebene viel gelernt. Die meisten Menschen in Ruanda sind arm – und doch dankbar für das Wenige, das sie haben. Das ist eindrücklich.
Ernst: Ich habe gelernt, zu improvisieren. Bei der bescheidenen Infrastruktur und den wenigen Ressourcen wird man kreativ … (lacht). Und: Die Menschen in Ruanda strahlen eine enorme Lebensfreude aus. Davon können wir uns eine Scheibe abschneiden.

Haben Sie auch fachlich etwas dazugelernt?
Ernst: Ja, wie man Chapati macht, ein typisches Fladenbrot. Das haben Nuria und ich schon für Bekannte gebacken.

Können Sie sich vorstellen, sich später in einem vergleichbaren Projekt zu engagieren?
Jufer: Auf jeden Fall.
Ernst: Absolut. Das Interesse ist geweckt.

Bildungsaustausch mit Ruanda

Der Bildungsaustausch der sieben Lernenden aus der Schweiz wurde von der Agentur Neza Rwanda (Schönes Ruanda) organisiert und von Movetia – der nationalen Agentur für Austausch und Mobilität im Bildungssystem – mitfinanziert. Die Berufsfachschule in Nyamasheke wird vom Zürcher Verein Sangira geführt. Bereits haben über 200 Lernende eine neunmonatige Ausbildung im Bereich Hotellerie-Gastronomie absolviert. 120 von ihnen haben eine feste Anstellung gefunden, 80 absolvieren noch ein Praktikum. Das Magazin «Reporter» von Fernsehen SRF hat die Schule in Ruanda besucht. Künftig sollen dort auch Fachleute aus den Branchen Gartenbau, Schreinerei sowie Bäckerei ausgebildet werden.

Start | Neza Rwanda

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