Logo Kanton Bern / Canton de BerneBildungs- und Kulturdirektion

Journalistin/Journalist — «Heute ist ein idealer Zeitpunkt, in den Journalismus einzusteigen»

«Die ‹Lizenz zum Fragen stellen› ist etwas vom Aufregendsten, das es gibt», sagt Claudia Schlup.

Rolf Marti

Frau Schlup, welches sind die drei wichtigsten Eigenschaften, über die Journalistinnen und Journalisten verfügen sollten?
Sie müssen neugierig sein, sich also für viele Themen interessieren und relevante Ereignisse als solche erkennen. Der Job erfordert zudem Hartnäckigkeit: Man muss damit leben können, zuweilen jemandem auf die Füsse zu treten. Als dritte Eigenschaft würde ich anfügen: Experimentierfreudigkeit. Neue Technologien ermöglichen es, Geschichten anders als bisher zu erzählen.

Journalismus ist für viele ein Traumberuf. Was macht seine Faszination aus?
Journalistinnen und Journalisten haben die Lizenz, Fragen zu stellen: an Politikerinnen, Künstler, Wissenschafterinnen, Wirtschaftsführer, Leute von der Strasse … Dabei tauchen sie in unterschiedliche Gesellschaftsbereiche und Lebenswelten ein. Das ist faszinierend.

In Büchern und Filmen sind «Journis» oft wagemutige Streiterinnen für Wahrheit und Gerechtigkeit oder aufdringliche Schnüffler auf der Suche nach der Sensation. Was davon ist Realität?
Beides … (schmunzelt). Und manchmal haben diese Eigenschaften auch etwas miteinander zu tun: Wer für Wahrheit und Gerechtigkeit kämpft, muss zuweilen aufdringlich «schnüffeln». Aber Fiktion überzeichnet. Die Realität ist meist unspektakulärer. Die wenigsten Journalistinnen und Journalisten sind investigativ so tätig, wie wir es aus Romanen oder Serien kennen. Viele berichten einfach aus ihrer Region, redigieren Medienmitteilungen oder sind in der Medienproduktion tätig. Es gibt auch in unserem Beruf viel Fleissarbeit.

Die Medienbranche durchlebt einen tiefgreifenden Wandel. Zeitung, Radio und Fernsehen verlieren an Bedeutung, soziale Medien legen zu. Was hiesst das für den Beruf?
Die klassischen Redaktionen müssen vermehrt um ihr Publikum kämpfen und die Leute davon überzeugen, dass guter Journalismus etwas kostet. Was die Sozialen Medien betrifft: Sie führen dazu, dass Inhalte noch kürzer und zugespitzter aufbereitet werden müssen. Bilder werden immer wichtiger. Es gibt aber auch einen Gegentrend. So liegen bspw. Podcasts mit längeren Reportagen oder Diskussionen im Trend. Der Strukturwandel führt auch zu Medienkonvergenz. Will heissen: Journalistinnen und Journalisten bereiten ein Thema immer öfter für unterschiedliche Medienkanäle auf – also gleichzeitig für die Zeitung, das Radio, das Fernsehen und/oder die Sozialen Medien.

Wie verändert der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) den Journalismus?
Sie tangiert unseren Beruf stark. Die KI wird immer mehr Fleissarbeit übernehmen: Medienmitteilungen zusammenfassen, Titel setzen, Matchberichte erstellen usw. Der Bürojournalismus, der sich vielerorts etabliert hat, kommt so unter Druck. Das ist aber auch eine Chance. Journalistinnen und Journalisten müssen wieder vermehrt vor Ort recherchieren, mit Menschen reden. Das kann künstliche Intelligenz nicht.

Guter Journalismus ist unverzichtbar für eine Demokratie. Es braucht daher auch in Zukunft qualifizierte Berufsleute. Doch: Wie wird man eigentlich Journalistin bzw. Journalist?
Indem man via Praxis einsteigt, also durch «Learning on the Job». Viele wählen auch den Weg über eine Lehre oder eine Mittelschule und absolvieren danach an einer Fachhochschule, einer Universität ein Journalistik-Studium. Oder sie kombinieren Theorie und Praxis, indem sie eine Journalismus-Schule wie das MAZ besuchen. Die biografische Diversität erachte ich als wertvoll für unseren Berufsstand.

Wie können sich junge Menschen ein realistisches Bild des Berufs machen?
Indem sie mit Berufsleuten sprechen. Wer niemanden im persönlichen Umfeld kennt, kann die Personalabteilung eines Medienhauses anrufen und fragen, ob er bzw. sie mit jemandem sprechen oder gar jemanden bei der Arbeit begleiten darf. Es ist wichtig, den Berufsalltag kennenzulernen, bevor man sich für den Journalismus entscheidet.

Der Konzentrationsprozess in der Medienbranche nimmt zu. Braucht es da noch viele Nachwuchskräfte?
Aber sicher. Ich würde sogar sagen: Heute ist ein idealer Zeitpunkt, in den Journalismus einzusteigen. Auch im Journalismus herrscht Fachkräftemangel. Denn der Beruf ist anstrengend, erfordert eine dicke Haut und der Lohn ist oft nicht üppig. Viele Berufsleute wechseln daher irgendwann in angrenzende Bereiche der Kommunikationsbranche. Journalistin oder Journalist sein bedingt also eine gute Portion Leidenschaft für den Beruf.

Die Gretchenfrage zum Schluss: Würden Sie wieder Journalistin werden?
Auf jeden Fall: Die «Lizenz zum Fragen stellen» ist etwas vom Aufregendsten, das es gibt.

Berufsfeld und Bildungsgänge

Weitere Informationen zum Berufsfeld «Journalismus» sowie Links zu den verschiedenen Bildungsgängen finden Interessierte unter:
berufsberatung.ch (› Berufe › Journalist).

MAZ – Die Journalistenschule

Das MAZ bildet Journalistinnen und Journalisten für alle Genres aus und bietet diverse Weiterbildungen für Berufsleute an. Die Schule wird von der Schweizer Medienbranche getragen (Verband Schweizer Medien, SRG,
Journalistenverbände u. a.). 
www.maz.ch

Der «Einsteiger» ist eine Dienstleistung der Espace Media Groupe (Publikationsplattform) und des Mittelschul- und Berufsbildungsamts des Kantons Bern (redaktionelle Verantwortung). Er ist eine Informationsplattform zur Berufs- und Mittelschulbildung.

Jeden Samstag erscheint im Stellen-Markt der Tageszeitungen Berner Zeitung BZ, Der Bund, Berner Oberländer, Thuner Tagblatt, Bieler Tagblatt und Langenthaler Tagblatt ein Artikel zu einem aktuellen Thema.

Unterstützt wird der «Einsteiger» durch folgende Partner:

Hinweis
Lob, Kritik, Anregungen

Bitte nutzen Sie die Möglichkeit per E-Mail uns Lob, Kritik oder Anregungen zum Einsteiger zu schicken.

einsteiger@be.ch

Frühere Ausgaben

Seite teilen