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Geflüchtete aus der Ukraine

«Die höchste Hürde ist der Spracherwerb»

«Die Jugendlichen fragen oft nach einer Mittelschule. Sie möchten studieren, wie dies in der Ukraine ihr Plan gewesen ist», sagt Therese Caroni. Bild: Rolf Marti

       

Ukrainerinnen und Ukrainer können dank Schutzstatus S sofort eine (Lehr-)Stelle antreten – was in der Praxis meist nicht einfach ist. Die BIZ Berufsberatungs- und Informationszentren unterstützen bei der Integration in den Arbeitsmarkt. Im Gespräch: Therese Caroni, Fachspezialistin Diversity und Migration.

Rolf Marti

Der Krieg in der Ukraine dauert bald ein Jahr. Was spüren Sie davon in den BIZ?
Zu Beginn gab es viel Unsicherheit. Die Mitarbeitenden der Infotheken und die Beratenden waren mit sprachlichen Herausforderungen konfrontiert. Zudem meldeten sich viele Gastfamilien mit Fragen, die zu jenem Zeitpunkt politisch noch nicht geklärt waren.

Dank Schutzstatus S können Ukrainerinnen und Ukrainer grundsätzlich sofort eine Stelle antreten. Ist es so einfach, wie es klingt?
Die höchste Hürde ist der Spracherwerb – wie bei den meisten geflüchteten Menschen. Im Kanton Bern erwarten die Betriebe in der Regel, dass sich jemand in Deutsch bzw. in Französisch verständigen kann. Selbst bei einfacheren Tätigkeiten ist mindestens Sprachniveau A2 erforderlich.

Wie steht es mit der Anerkennung ukrainischer Diplome?
Die meisten Diplome werden in der Schweiz nicht anerkannt oder müssen über ein eidgenössisches Verfahren validiert werden. Das erfordert von den Betroffenen Flexibilität bzw. die Bereitschaft, berufliche Umwege in Kauf zu nehmen.

Gibt es bei den BIZ spezifische Beratungsangebote für Ukrainerinnen und Ukrainer?
Ja. Erwachsene erhalten – im Beisein einer interkulturell dolmetschenden Person –Unterstützung bei der Erstellung von Bewerbungsunterlagen. Dabei können sie auch Fragen zu Bildung und Arbeit klären. Das Angebot ist kostenlos und in Ukrainisch und in Russisch buchbar (siehe Kasten).

Wie gestaltet sich die Situation für Jugendliche? Können sie in der Schweiz eine Ausbildung absolvieren, also eine Mittelschule oder eine Lehre?
Jugendliche, welche noch die Volksschule besuchen, bereiten sich wie alle andern auf die Berufswahl oder das Aufnahmeverfahren für eine Mittelschule vor. Ältere Jugendliche sowie junge Erwachsene können an Berufsfachschulen Intensivsprachkurse in Deutsch oder Französisch besuchen. Sobald sie Niveau A2 bis B1 erreicht haben, besteht die Möglichkeit, sich für eine Lehrstelle oder eine Vorlehrstelle zu bewerben.

In der Schweiz absolvieren gut 60 Prozent der Jugendlichen eine Lehre. In den meisten Ländern spielt die Berufsbildung jedoch keine oder eine untergeordnete Rolle. Wie erklären Sie Eltern und Jugendlichen das Schweizer Bildungssystem?
Dieses Thema muss mit Fingerspitzengefühl angegangen werden. Die Jugendlichen fragen oft nach einer Mittelschule. Sie möchten später studieren, wie dies in der Ukraine ihr Plan gewesen ist. Die erforderlichen Sprachkompetenzen in Deutsch, Französisch und Englisch sind jedoch eine hohe Hürde. Die BIZ bieten für Jugendliche und Eltern ein Webinar in Ukrainisch an, in dem unser Bildungssystem erklärt wird (siehe Kasten).

Viele Branchen haben Schwierigkeiten, ihre Lehrstellen zu besetzen. Sind die Betriebe bereit, Jugendliche aus der Ukraine in die Lehre zu nehmen?
Obwohl der Status S soeben um ein Jahr verlängert worden ist, ist ein Lehrverhältnis mit Unsicherheiten behaftet. Auch deshalb sind bisher kaum Lehrverhältnisse abgeschlossen worden. Wir hoffen jedoch, dass einige Betriebe den Mehrwert der einjährigen Vorlehre erkennen und Jugendlichen mit Status S so den Einstieg in die Berufs- und Arbeitswelt ermöglichen.

Gibt es Erfolgsgeschichten bei Erwachsenen? Finden sie Arbeit?
Es ist schwierig. Aber wenn sie bereit sind, vorerst in einem anderen als dem erlernten Beruf zu arbeiten, kann die Suche nach einer Arbeitsstelle erfolgreich sein. In Erinnerung bleibt mir eine junge Familienfrau, die nach kurzer Zeit eine Teilzeitanstellung im Verpackungsbetrieb einer Grossbäckerei gefunden hat.

Informationen für Geflüchtete aus der Ukraine

Die BIZ Berufsberatungs- und Informationszentren des Kantons Bern haben die wichtigsten Informationen zum Thema «Arbeit und Beruf» kompakt zusammengestellt – teils in Ukrainisch und in Russisch. Auch ein Video, welches das Bildungssystem der Schweiz erklärt, ist ukrainisch untertitelt.
www.be.ch/biz › Informationen für Geflüchtete aus der Ukraine.

Webinar für Eltern

Am 24. Januar 2023 findet ein Webinar für ukrainische Eltern mit Jugendlichen im Berufswahlalter statt. Die Anmeldung erfolgt über die Webseite der BIZ.
www.be.ch/biz

Anerkennung ausländischer Diplome

Für die Anerkennung ausländischer Diplome ist das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI zuständig.
www.sbfi.admin.ch › Bildung › Anerkennung ausländischer Diplome.

Der «Einsteiger» ist eine Dienstleistung der Espace Media Groupe (Publikationsplattform) und des Mittelschul- und Berufsbildungsamts des Kantons Bern (redaktionelle Verantwortung). Er ist eine Informationsplattform zur Berufs- und Mittelschulbildung.

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