Logo Kanton Bern / Canton de BerneBildungs- und Kulturdirektion

Fachmittelschule – «Überfachliche Kompetenzen sind im FMS-Lehrplan zentral»

Überfachliche Kompetenzen sind in den Berufen des Gesundheitswesens, der Sozialen Arbeit und der Pädagogik besonders wichtig. Auf diese Berufe bereitet die Fachmittelschule (FMS) vor. Im Gespräch: Stefan Balsiger, Leiter der FMS Lerbermatt.

Rolf Marti

Herr Balsiger: Was sind überfachliche Kompetenzen?
Das sind Kompetenzen, die nicht fächerspezifisch sind. Anders formuliert: Sie kommen in allen Fächern zum Tragen. Wir unterscheiden methodische Kompetenzen wie Lern- und Arbeitstechniken, Selbstkompetenzen wie Selbstreflexion sowie Sozialkompetenzen wie Kommunikations-, Team- oder Konfliktfähigkeit.

Die FMS bereitet auf die Berufsfelder Gesundheit, Soziale Arbeit und Pädagogik vor. Welche überfachlichen Kompetenzen sind in den entsprechenden Berufen besonders gefragt?
In den drei Berufsfeldern steht der Mensch im Zentrum. Das setzt Empathie voraus, also die Fähigkeit, sich auf andere einzulassen, sich in ihre Lage zu versetzen. Ebenso wichtig ist Reflexionsfähigkeit, weil jede Handlung, jede Entscheidung meist andere Menschen betrifft. Auch die Fähigkeit, sich abzugrenzen – also zu wissen, wo die eigene Verantwortung endet – ist zentral. Hinzu kommen Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit und interdisziplinäres Denken. Wer in den genannten Berufsfeldern arbeiten will, braucht also nebst fachlichen auch viele überfachliche Kompetenzen bzw. eine starke Persönlichkeit.

Prüfen Sie im Rahmen des Aufnahmeverfahrens, ob die Kandidatinnen und Kandidaten die Voraussetzungen für die Entwicklung der genannten Kompetenzen mitbringen?
Der Übertritt an die FMS erfolgt zumeist auf Empfehlung der Lehrpersonen an der Volksschule. Sie beziehen bei ihrer Beurteilung die sogenannte Berufsfeldeignung mit ein. Die Lehrpersonen begleiten ihre Schülerinnen und Schüler über mehrere Jahre. Sie können deren Persönlichkeitsmerkmale also gut einschätzen. Bei jenen Schülerinnen und Schülern, welche die Aufnahmeprüfung absolvieren, prüfen wir im Gespräch die Affinität für die entsprechenden Themen bzw. die Bereitschaft, sich darauf einzulassen.

«Überfachliche Kompetenzen gewinnen an Bedeutung», sagt Stefan Balsiger

Wie werden die überfachlichen Kompetenzen im Rahmen des Bildungsgangs entwickelt?
Überfachliche Kompetenzen sind im FMS-Lehrplan zentral und fliessen in viele Unterrichtssituationen ein. Und: Alle FMS des Kantons verfügen über ein Umsetzungskonzept. An der FMS Lerbermatt haben wir beispielsweise in den ersten zwei Jahren des Bildungsgangs drei Jahreslektionen «Überfachliche Kompetenzen», in denen wir Themen wie «Arbeits- und Lerntechnik» oder das «Verfassen selbstständiger Arbeiten» behandeln. Weiter organisieren wir über die drei Jahre hinweg sechs Sonderwochen, in denen die Schülerinnen und Schüler beispielsweise mithilfe Theaterschaffender an ihrer Auftrittskompetenz arbeiten. Hinzu kommen Praktikumsevaluationen, die mit Selbstreflexion verbunden sind, sowie interdisziplinäre Projekte, in denen fächerübergreifend unterrichtet wird. Bei all diesen Projekten teilen die Schülerinnen und Schüler ihre Erfahrungen und Erkenntnisse untereinander. So können sie voneinander lernen und ihre Selbstwahrnehmung verfeinern.

Reicht es, überfachliche Kompetenzen im schulischen Kontext zu trainieren? Braucht es nicht Praxiserfahrung, also den Kontakt zu den späteren Anspruchsgruppen?
Praxiserfahrung ist wichtig. Deshalb sieht der FMS-Lehrplan sieben Praktikumswochen vor. Jede Schülerin, jeder Schüler absolviert je eine Woche in den drei Berufsfeldern Gesundheit, Soziale Arbeit und Pädagogik sowie zwei Wochen in jenem Berufsfeld, in dem sie bzw. er den Abschluss macht. Hinzu kommen zwei Wochen in der französisch- oder der italienischsprachigen Schweiz. So erhalten sie Einblicke in einen anderen Kulturraum und lernen eine andere Lebensrealität kennen. All dies fördert die Persönlichkeitsentwicklung, was im Verlauf des Bildungsgangs gut spürbar wird.

Überfachliche Kompetenzen sind auch im gesellschaftlichen Kontext wichtig. Werden heute andere Kompetenzen erwartet als noch vor zehn oder zwanzig Jahren?
Das ist schwierig zu beantworten. Klar ist: Überfachliche Kompetenzen gewinnen an Bedeutung. Die Welt wird komplexer, das Tempo der Veränderungen nimmt zu. Da ist es wichtig, neugierig und offen für Entwicklungen zu bleiben, sich weiterzubilden, aber auch eine gewisse Gelassenheit in der Hektik des Wandels zu bewahren.

Fachmittelschule (FMS)

Die FMS dauert drei Jahre und ermöglicht den Einstieg in eine Höhere Fachschule in den Berufsfeldern Gesundheit (bspw. Pflegefachfrau/-fachmann HF) und Soziale Arbeit (bspw. Sozialpädagogin/-pädagoge HF). Wer an einer Fachhochschule oder an einer Pädagogischen Hochschule studieren will, erwirbt in einem Zusatzjahr die Fachmaturität (Gesundheit, Soziale Arbeit bzw. Pädagogik).

Mehr zur FMS:
www.be.ch/fms

Seite teilen