Flavia Jorquera hat nach Methoden gesucht, um die Aufmerksamkeit eines Kindes zu verbessern, das sich schlecht konzentrieren kann. Dies im Rahmen ihrer Fachmaturitätsarbeit. Im Gespräch beleuchtet die junge Frau die Hintergründe und Ergebnisse ihrer Arbeit näher.
Peter Brand
Frau Jorquera, Ihre Arbeit trägt den Titel «Strategien für die bewusste Aufmerksamkeit bei einem Kind mit Konzentrationsschwierigkeiten». Um was geht es?
Im Zentrum steht ein achtjähriger Schüler, den ich Max nenne. Max hat eine neurologische Störung, die es ihm erschwert, Bewegungen und Körperhaltung zu steuern und zu koordinieren. Max sitzt im Rollstuhl. Er ist offen, lebhaft, sozial und intelligent, kann sich jedoch schlecht konzentrieren und lässt sich schnell ablenken. Das führt dazu, dass er sein schulisches Potenzial nicht ausschöpfen kann. Ich gehe in der Arbeit der Frage nach, wie es gelingt, seine Aufmerksamkeit besser auf den Schulstoff zu richten.
Wie sind Sie zu diesem Thema gekommen?
Ich absolviere im Rahmen der Fachmaturität ein Praktikum als Klassenhilfe in der besonderen Volksschule der Stiftung Rossfeld. Sie begleitet Kinder und Jugendliche mit einer körperlichen Behinderung vom Kindergarten bis zum 10. Schuljahr. Max ist einer der Schüler in der Klasse, in der ich arbeite. Ich kenne seine Situation und die Herausforderungen, die er hat. Ich wollte mit meiner Arbeit herausfinden, was Max hilft.
Wie sind Sie bei Ihrer Arbeit vorgegangen?
Ich testete mit Max sechs aus der Theorie abgeleitete Hilfestellungen bei Rechenaufgaben. Er musste zu diesem Zweck in verschiedenen Durchläufen Arbeitsblätter mit jeweils 30 Additionsaufgaben im Zahlenraum von 1 bis 10 lösen. Dabei setzte ich verschiedene Methoden ein.
Zum Beispiel?
Einmal arbeitete Max mit einem Raumtrenner, einmal mit besser portionierten Aufgaben, einmal mit Time Timer, der die verbleibende Zeit anzeigt, einmal mit geräuschunterdrückenden Kopfhörern, einmal mit körperlicher Aktivierung vor dem Durchlauf und einmal mit einem orangefarbigen Arbeitsblatt. Zum Schluss kombinierte ich mehrere Methoden miteinander. Die Zahl der richtig gelösten Aufgaben in fünf Minuten gab mir Aufschluss über seine Konzentration im jeweiligen Durchlauf.
Welches sind die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit?
Am besten schnitt Max mit der kombinierten Methode ab. Er löste 26 von 30 Aufgaben. Auch die Durchläufe mit den beschriebenen Einzelmassnahmen führten zu besseren Ergebnissen. In der Kontrollrunde ohne jegliche Hilfe löste er lediglich 2 von 30 Rechnungen. Alles in allem wurden meine Erwartungen bestätigt: Eine grundsätzlich reizarme Umgebung mit gezielten kombinierten Impulsen helfen Max, konzentrierter und damit effektiver zu arbeiten. Wir haben in der Zwischenzeit geräuschunterdrückende Kopfhörer für den Unterricht beantragt und arbeiten nun damit. Meine Arbeit hat also bereits etwas bewirkt.
Sie mussten die Arbeit auch präsentieren. Wie ist dieser Teil gelaufen?
In einer ersten Runde präsentierte ich die Arbeit vor meiner betreuenden Lehrperson und einer Expertenperson und stellte mich anschliessend ihren Fragen. Ich war zwar etwas nervös, aber es lief eigentlich alles gut. In einer zweiten Runde präsentierte ich die Arbeit in meinem Praktikumsbetrieb. Hier war das Publikum deutlich zahlreicher.
Wenn Sie auf den Prozess der Arbeit zurückblicken: Wie aufwendig war er?
Mit der Untersuchung startete ich im Hebst. Das Schreiben der Arbeit erledigte ich mehrheitlich im Januar. Am aufwendigsten war der Theorieteil. Dazu durchforstete ich die Fachliteratur nach geeigneten Methoden respektive Hilfestellungen. Grundsätzlich bin ich zufrieden mit dem Ablauf. Einzig bei der Einteilung der Zeit war ich etwas zu optimistisch.
Wovon haben Sie am meisten profitiert?
Ich habe gelernt, wie ich eine schriftliche Arbeit anpacken und durchführen kann. Zudem habe ich mir durch die Auseinandersetzung mit dem Thema viel Wissen angeeignet. Jede solche Arbeit bringt einen weiter.
Wie sehen Ihre weiteren Berufspläne aus?
Mein Praktikum in der der Stiftung Rossfeld dauert noch einen Monat. Dann werde ich die Fachmaturität abgeschlossen haben. Die Diplomfeier findet Mitte Juni statt. Ich werde anschliessend die Passerelle absolvieren und parallel dazu im ambulanten Dienst der Stiftung Rossfeld arbeiten.
Fachmaturitätsarbeit
Die Fachmaturitätsarbeit fördert die Fähigkeit, sich neues Wissen zu erschliessen, die eigene Vorgehensweise zu planen, zu organisieren und zu überdenken sowie eine Arbeit zu verfassen und diese mündlich zu präsentieren. Sie bereitet auf vergleichbare Arbeiten an den Fachhochschulen für Gesundheit und Soziale Arbeit vor.
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