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«Eltern sollten primär auf die Bedürfnisse ihres Kindes achten»

Nicht alle Jugendlichen sind aufgrund ihrer individuellen Voraussetzungen bereit für eine drei- oder vierjährige berufliche Grundbildung. Für sie gibt es die zweijährige berufliche Grundbildung. Holzbau Schweiz macht gute Erfahrungen damit. Im Gespräch: Andreas Andermatt, Geschäftsführer der Sektion Bern.

ROLF MARTI

«Die zweijährige Grundbildung richtet sich an Jugendliche, die praktisch begabt sind, schulisch jedoch Lücken aufweisen», sagt Andreas Andermatt

In Ihrer Branche gibt es zwei berufliche Grundbildungen: Holzbearbeiter/- in EBA und Zimmermann/ Zimmerin EFZ. Was unterscheidet sie?
Vorweg die Gemeinsamkeit: Beide Berufslehren sind vollwertige Ausbildungen, die nach einer schweizweit verbindlichen Bildungsverordnung durchgeführt werden und zu einem schweizweit anerkannten Abschluss führen, der für den Arbeitsmarkt qualifiziert. Die zweijährige Lehre schliesst mit einem eidgenössischen Berufsattest (EBA) ab, die vierjährige mit einem eidgenössischen Fähigkeitszeugnis (EFZ). Letzteres ermöglicht den Zugang zu den weiterführenden Bildungsgängen der höheren Berufsbildung und – mit Berufsmaturität – den Studiengängen der Fachhochschulen.

Die beiden Grundbildungen haben also ein unterschiedliches Anforderungsprofil.
Richtig. Die zweijährige Grundbildung richtet sich an Jugendliche, die praktisch begabt sind, schulisch jedoch Lücken aufweisen. Sie erleichtert diesen jungen Menschen den Einstieg in die Arbeitswelt. Bei der vierjährigen Grundbildung liegen die schulischen wie die handwerklichen Anforderungen höher.

Wem empfehlen Sie die zweijährige Grundbildung?
Schwächeren Realschülerinnen und Realschülern sowie Jugendlichen, die aufgrund ihrer persönlichen Entwicklung noch nicht reif für eine EFZ-Grundbildung sind oder die noch Lücken in der Unterrichtssprache aufweisen. Wer grundsätzlich über das Potenzial für eine EFZ-Grundbildung verfügt, kann sein Talent in diesen zwei Jahren entwickeln, schulische Lücken schliessen und nach Abschluss in eine meist verkürzte dreioder vierjährige Lehre im selben Berufsfeld wechseln.

Wie viele Lernende schliessen in Ihrer Branche pro Jahr die vierjährige Lehre ab, wie viele die zweijährige?
Pro Jahr schliessen schweizweit zwischen 850 und 1000 Lernende ihre Ausbildung ab. Rund 90 Prozent davon haben die vierjährige Grundbildung als Zimmermann/Zimmerin EFZ absolviert, 10 Prozent die zweijährige Grundbildung als Holzbearbeiter/- in EBA.

Die zweijährige Grundbildung wird von den Eltern teils als Notlösung betrachtet. Können Sie das nachvollziehen?
Ja. Aber die Eltern sollten primär auf die Möglichkeiten und Bedürfnisse ihres Kindes achten. Wenn ein Kind von einer Ausbildung überfordert ist oder für den Übergang von der Volksschule ins Berufsleben mehr Zeit benötigt, sollte man das akzeptieren. Lehrbetriebe, die ein fundiertes Selektionsverfahren mit Schnupperlehre durchführen, können beurteilen, wer sich für welches Anforderungsprofil eignet. Ist dieses zu hoch, droht ein Abbruch der Ausbildung oder eine Rückstufung von der EFZ- in die EBA-Grundbildung. Das ist weder für die Jugendlichen noch für die Lehrbetriebe angenehm.

Zweijährige berufliche Grundbildung

Die zweijährige berufliche Grundbildung mit eidgenössischem Berufsattest (EBA) ermöglicht praktisch begabten Personen einen anerkannten, für den Arbeitsmarkt qualifizierenden Berufsabschluss. Anschliessend können sie im gleichen Berufsfeld in eine verkürzte drei- oder vierjährige berufliche Grundbildung mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) einsteigen. Mit dem EFZ stehen den jungen Berufsleuten viele Weiterbildungsmöglichkeiten offen (höhere Berufsbildung, Berufsmaturität/Fachhochschule). Es gibt rund 60 EBABerufe. Einen Überblick bietet die Website

www.berufsberatung.ch/eba

Wie häufig kommt es in Ihrer Branche zu einem Abbruch oder zu einer sogenannten Umwandlung vom EFZ ins EBA?
Bei rund 8 Prozent der EFZ-Lernenden wird der Lehrvertrag vorzeitig aufgelöst – allerdings nicht primär wegen Überforderung. Etwa 5 Prozent der EFZ-Lernenden wechseln im Verlauf der Lehre in die EBA-Grundbildung. Das ist kein einfacher Schritt für die Betroffenen und wird zu Beginn meist als Versagen erlebt. Weil sie in der EBA-Grundbildung aber mehr Erfolgserlebnisse haben, verschwindet dieses Gefühl rasch. Die meisten Lernenden, die ins EBA wechseln, fahren später mit der EFZ-Grundbildung weiter und schliessen sie ab. Diese sogenannten Umwandlerinnen und Umwandler gehen also einen längeren Weg, kommen aber letztlich an ihr Ziel, Zimmerin bzw. Zimmermann zu werden.

Welche Bedeutung hat die zweijährige Grundbildung als Holzbearbeiter/- in EBA für Ihre Branche? Gewinnen Sie damit Talente, die sonst keinen Berufsabschluss erzielen würden?
Absolut. Es ist eine Chance, mehr Fachkräfte zu gewinnen. Einige EBA-Absolventinnen und -Absolventen haben mit dieser Ausbildung ihr Potenzial ausgeschöpft; für sie gibt es in unserer Branche genug Arbeit. Andere ziehen durch, absolvieren die EFZ-Grundbildung und später sogar eine höhere Berufsbildung. Wer mit dem EBA startet, dem stehen grundsätzlich alle Wege offen.  

Berufsinformationen Holzbau

Informationen zu den beiden Berufen Zimmermann/Zimmerin EFZ und Holzbearbeiter/-in EBA finden Interessierte unter

www.lehre-holzbau.ch

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