
Seit 20 Jahren hat das Gymnasium Interlaken in Gstaad einen zweiten Schulort. Was bedeutet diese «Aussenstation» für die Region – und was zeichnet den «Gymer» in Gstaad aus? Im Gespräch: Schulleiter Christoph Däpp.
Rolf Marti
Herr Däpp, was hat Käse mit dem Gymnasium Gstaad zu tun?
Die Idee, in der Region Obersimmental-Saanenland einen Schulstandort zu eröffnen, wurde 2002 an der Tagung der Rektorinnen und Rektoren der Berner Gymnasien erstmals präsentiert. Diese fand im Käse-Reifungslager Gstaad statt. Dieser «Käse» ist seither gut gereift (schmunzelt).
Weshalb braucht eine Region mit 20 000 Einwohnerinnen und Einwohnern ein Gymnasium?
Gegenfrage: Wie attraktiv ist es, sich für die Matura zu entscheiden, wenn die tägliche Reisezeit ans nächste Gymnasium bis zu fünf Stunden beträgt? Wir haben deshalb das Modell auf den Kopf gestellt: Bei uns pendeln die Lehrpersonen, nicht die Schülerinnen und Schüler. Der Schulstandort Gstaad sorgt so für mehr Bildungsgerechtigkeit.
Nennen Sie uns ein paar Zahlen zum Gymnasium Gstaad?
Gerne. Aktuell haben wir 70 Schülerinnen und Schüler. Sie werden von 20 Lehrpersonen unterrichtet, die wöchentlich insgesamt über 100 Stunden pendeln. Mehrere Schülerinnen und Schüler steigen nach dem ersten Gymnasialjahr aus und wechseln in eine Lehre. Das zeigt, wie stark die Berufsbildung in unserer Region verankert ist. Von jenen, die bleiben, ziehen 85 Prozent bis zur Matura durch. 99 Prozent schliessen erfolgreich ab.
Das Gymnasium Gstaad ist genau genommen eine Abteilung des Gymnasiums Interlaken. Wie sieht die Zusammenarbeit aus?
Wir sind eine Schule und arbeiten nach denselben Vorgaben und Konzepten, führen gemeinsam Anlässe und Projekte durch, nutzen dieselbe IT, schreiben gemeinsame Maturaprüfungen usw. Trotzdem: Gstaad ist mehr als ein Aussenposten; wir sind ein Gymnasium mit eigenem Profil und regionaler Verwurzelung. Die meisten Fächer werden vor Ort unterrichtet, einzig das Ergänzungsfach – Sport ausgenommen – findet in Interlaken statt. Beim Schwerpunktfach Physik und angewandte Mathematik haben wir für die ersten zwei Jahre eine hybride Lösung – die Schülerinnen und Schüler in Gstaad nehmen virtuell am Unterricht in Interlaken teil. Speziell ist zudem das Talentförderungsangebot für Leistungssportlerinnen und -sportler, die im Bereich Wintersport in Schulnähe ideale Trainingsmöglichkeiten finden.
Sehen Sie kulturelle Unterschiede zwischen einem städtischen Gymnasium und dem Gymnasium Gstaad?
Ob Stadt oder Land: Überall sind junge Menschen am Start, die Träume und Zukunftspläne haben, Herausforderungen meistern, Freundschaften und Hobbys pflegen. Einen Unterschied macht allerdings die Grösse der Schule: Bei uns ist alles ein bisschen persönlicher. Alle kennen einander – das schafft Verbindlichkeit. Da die Klassen klein sind, bleibt mehr Zeit für die einzelnen Schülerinnen und Schüler.
Was motiviert Sie, das Gymnasium Gstaad zu leiten und dort zu unterrichten?
Erstens: Wir haben das kleinste Lehrerzimmer aller Berner Gymnasien (schmunzelt). Da mischen sich all unsere Fachdisziplinen, was zu spannenden Diskussionen führt. Zweitens: Wir haben motivierte und bodenständige Schülerinnen und Schüler und ein engagiertes Kollegium. Das macht die Arbeit sinnhaft und freudvoll. Drittens: An einer kleinen Schule hat ein Schulleiter viel Gestaltungsfreiraum, ein vielfältigeres Aufgabengebiet und kann direkten Einfluss nehmen. Viertens: Viele Ehemalige lassen uns ihre Dankbarkeit spüren, dass sie trotz Peripherie das Gymnasium in Gstaad absolvieren konnten. Es ist schön, dass wir jungen Menschen in der Region eine echte Bildungswahl bieten können.
Wenn Sie auf die 20 Jahre zurückblicken: Gab es besondere Highlights?
Deren gab es viele – von der Abschlussfeier des ersten Jahrgangs über die Chinareise im Jahr 2007 und die Besuche von Franz Hohler oder Milena Moser bis hin zum ersten Weltcup-Rennen eines Gstaader Sportschülers. Besonders freut mich, dass die Gemeinde Saanen in all den Jahren die Kosten trägt – insbesondere für den Schulraum – und diese Unterstützung nie infrage gestellt hat.
Infobox
Seit 2005 bietet das Gymnasium Interlaken in Gstaad eine vollwertige gymnasiale Ausbildung für Schülerinnen und Schüler der Region Obersimmental-Saanenland an.
www.gyminterlaken.ch/abteilunggstaad
Das Gymnasium Interlaken ist eines von zehn kantonalen Gymnasien des Kantons Bern. Der gymnasiale Bildungsgang dauert vier Jahre und ermöglicht den prüfungsfreien Zugang zu den Universitäten, zu den Eidgenössischen Technischen Hochschulen sowie zu den Pädagogischen Hochschulen in der Schweiz.
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