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Berufsmeisterschaften — «Medaillengewinne steigern das Image des Berufs»

Medaillengewinne an Berufsweltmeisterschaften (WorldSkills) beeinflussen das Berufswahlverhalten von Schülerinnen und Schülern und führen zu mehr Lehrvertragsabschlüssen. Das zeigt eine neue Forschungsarbeit. Im Gespräch: Co-Autor Daniel Goller.

«Es ist wichtig, dass die Berufsverbände die Strahlkraft der Medaillengewinner:innen nutzen und sie eng ins Berufsmarketing einbinden», sagt Daniel Goller.

       

Rolf Marti

Der Berner Maurer Ben Zaugg hat an den WorldSkills 2022 die Goldmedaille gewonnen. Interessieren sich nun mehr Jugendliche für diesen Beruf? Und: Werden auch mehr Lehrverträge abgeschlossen?
Die Meldung über Ben Zauggs Goldmedaille war der Anlass, diesen Fragen nachzugehen. Heute können wir nachweisen, dass der Gewinn einer Goldmedaille an einer Berufsweltmeisterschaft dazu führt, dass die Suchanfragen nach Lehrstellen im jeweiligen Beruf um durchschnittlich 7 Prozent steigen. Das zeigt die Auswertung des Lehrstellen-Nachweises auf berufsberatung.ch. Die Zahl der abgeschlossenen Lehrverträge erhöht sich durchschnittlich um 2,5 Prozent.

Ergeben sich vergleichbare Effekte auch bei Silber- und Bronzemedaillen?
Ja, wenn auch in geringerem Ausmass. Die Suchanfragen nehmen um 5 bis 6 Prozent zu. Wir gehen davon aus, dass dies ebenfalls zu mehr Lehrvertragsabschlüssen führt.

Wie erklären Sie diese positiven Effekte?
Der entsprechende Beruf erhält viel mediale und positive Aufmerksamkeit. Der Erfolg wird als Resultat einer exzellenten – sprich: weltmeisterlichen – Ausbildung wahrgenommen. Medaillengewinne steigern also das Image des Berufs. Hinzu kommt, dass Berufe heute mehr bieten müssen als einen Broterwerb. Die Menschen wollen sich verwirklichen, wollen in ihrer Arbeit einen Sinn sehen und Erfüllung finden. Berufsweltmeisterinnen und -meister zeigen, dass dies im entsprechenden Beruf möglich ist.

Sie sind also Vorbilder bzw. Identifikationsfiguren für Jugendliche im Berufswahlalter?
Ja. Berufsweltmeisterinnen und -meister sind jung, nahbar, authentisch. Die Botschaft lautet: «Auch du kannst es schaffen». Es ist daher wichtig, dass die Berufsverbände die Strahlkraft der Medaillengewinnerinnen und -gewinner nutzen und sie eng ins Berufsmarketing einbinden – nicht nur in sozialen Medien, sondern auch in klassischen. Dort erreichen sie die Eltern, welche bei der Berufswahl eine zentrale Rolle spielen.

Offenbar verbessert sich durch einen Medaillengewinn auch das Matching zwischen Lernenden und Lehrbetrieb. Wie ist das zu erklären?
Das ist schwer zu sagen. Fakt ist: Bei Berufen mit Medaillengewinn ist die Abbruchquote gesunken und die Abschlussquote gestiegen. Das ist interessant. Es hätte auch sein können, dass die mediale Aufmerksamkeit Jugendliche anlockt, die sich für den jeweiligen Beruf nicht eignen. Das Gegenteil ist der Fall.

Wagen Sie eine Hypothese für dieses Phänomen?
Es könnte sein, dass sich durch den Imagegewinn plötzlich leistungsstärkere Jugendliche für die entsprechenden Berufe interessieren. Das ist aber Spekulation.

Gibt es bezüglich der positiven Wirkung Unterschiede zwischen Berufen bzw. Branchen?
Wir konnten keine statistischen Unterschiede zwischen den Berufen feststellen. Aber wir haben Unterschiede nach Regionen festgestellt. Wo die Berufsbildung eher schwach vertreten ist – beispielsweise in der Westschweiz – sind die Effekte stärker. Der Grund dürfte sein, dass in diesen Regionen das Veränderungspotenzial grösser ist.

Sind die genannten Effekte nachhaltig? Wirken sie auch noch zwei, drei Jahre nach dem Medaillengewinn?
Das ist nicht einfach zu sagen. Was wir sagen können ist: Sie sind nachhaltig, und zwar in dem Sinne, dass es fünf Jahre nach einem Medaillengewinn mehr ausgebildete Leute im entsprechenden Beruf gibt.

Können Ihre Erkenntnis auf EuroSkills und SwissSkills übertragen werden?
Wir vermuten, dass bei den EuroSkills aufgrund der internationalen Anerkennung ähnliche Effekten wirken. Bei den SwissSkills dürften die Effekte eher in der jeweiligen Region, aus der die Medaillengewinnerinnen und -gewinner stammen, spürbar sein, weil dort die mediale Berichterstattung erfolgt.

Es lohnt sich also für die Berufsverbände, in Wettkämpferinnen und Wettkämpfer zu investieren?
Absolut. Die Berufsverbände sollten die Voraussetzungen schaffen, dass möglichst viele Talente an regionalen, nationalen und internationalen Wettbewerben teilnehmen können. Und nochmals: Sie sollten die Medaillengewinne konsequent im Berufsmarketing einsetzen.

Zur Studie

Die Studie «Reaching for gold! The impact of a positive reputation shock on career choice» wurde vom «Swiss Leading House on Economics of Education, Firm Behavior and Training Policies» erstellt. Das Swiss Leading House ist Teil des Forschungsprogramms des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI). Autoren der Studie sind Daniel Goller und Stefan C. Wolter.
Reaching for Gold

 

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