
Ob Logistik in La Spezia oder Werkstatterfahrung im Tessin: Austauschprojekte eröffnen Jugendlichen Perspektiven und stärken den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Daniel Plancic, Bereichsleiter Berufsbildung, Erwachsenenbildung und Jugendarbeit bei Movetia, spricht über die Bedeutung von Mobilität in der Berufsbildung.
Kathrin Kiener
Daniel Plancic: Warum ist der Austausch von Jugendlichen über die Sprachgrenzen hinweg gerade in der Schweiz so wichtig?
Für mich ist der Austausch eine transformative, vielschichtige Lernerfahrung. In einem Land wie der Schweiz ist Austausch ein natürlicher Weg, unsere Mehrsprachigkeit und Vielfalt zu leben. Ich sehe ihn als interkulturelle Erfahrung, die den Horizont erweitert und die Resilienz stärkt. Und: Der Austausch fördert unternehmerisches Denken und Handeln. Wer das Gewohnte verlässt, bekommt ein klareres Verständnis für die eigene Heimat, weil er einen gegensätzlichen Entwurf erlebt.
Können Sie Austauschprojekte nennen, die berufliche Kompetenzen und kulturelles Verständnis ideal verbinden?
Beeindruckt bin ich vom Projekt einer Berufsschule, die mit Logistik-Lernenden nach La Spezia reist, um im Hafen komplexe internationale Lieferketten zu studieren. Ein anderes Beispiel sind Bekleidungsgestaltungs-Lernende aus Zürich, die ein Praktikum in der Savile Row in London absolvieren – der Strasse mit den berühmten traditionellen Schneidereien. Dieser Austausch steht allen Lernenden der Schule offen und ist ein Sinnbild für Chancengerechtigkeit.
Ende November fand gemeinsam mit den Kantonen die 3. Nationale Austauschwoche statt: Was ist das Ziel dieses Anlasses?
2025 stand erstmals die Berufsbildung im Zentrum der Nationalen Austauschwoche. Unser Ziel ist es, die Koordination innerhalb der Kantone zu fördern und den Austausch schweizweit zu institutionalisieren. Zudem wollen wir die Sichtbarkeit erhöhen – mit der Aktionswoche zeigen wir, dass Austausch machbar ist und inspiriert.
Im Rahmen der Aktionswoche wurde erstmals der Nationale Austauschpreis in Zusammenarbeit mit der Oertli-Stiftung verliehen. Wie entstand die Idee dazu?
Wir sind seit Längerem in Kontakt mit der Oertli-Stiftung, die ähnliche Ziele verfolgt wie wir – etwa die Förderung des Austauschs zwischen den Sprachregionen. Die Stiftung wollte sich neu ausrichten und wandte sich an uns. Ziel war es, den Austausch bekannter zu machen, ganz praktisch mit konkreten Projekten.
Die drei Gewinner stehen fest: Was macht die Projekte aus Ihrer Sicht wertvoll?
«Mobimmersiv» ist ein sechsmonatiges Mobilitätsprogramm in der Deutsch- oder Westschweiz für Lernende EFZ mit integrierter Berufsmaturität. Es zeigt, dass ein längerer Austausch möglich ist, ohne Lehrvertrag oder Berufsschule zu unterbrechen. «E-Tandem» vernetzt Berufsschulklassen digital. Lernende bilden Sprachtandems und tauschen sich aus – ein niederschwelliger Ansatz, der gegenseitige Wertschätzung fördert. Bei «Mobilauto» können Genfer Lernende aus der Automobilbranche, ein Praktikum in einer Werkstatt in der Deutschschweiz oder im Tessin absolvieren. Die Lernenden behaupten sich in einem anderen Betrieb und in einer Fremdsprache, was Berufsidentität und Selbstwirksamkeit stärkt.
2024 nahmen 400 Lernende an einem Austausch innerhalb der Schweiz teil. Wie gelingt es, noch mehr Betriebe und Schulen zum Mitmachen zu motivieren?
Wichtig ist, dass die Betriebe den Austausch als Teil des Employer Brandings verstehen und mit ihrer Attraktivität als Arbeitgeber verbinden. Derzeit bauen wir eine Match-Making-Plattform für Betriebe, Berufsverbände und Schulen auf. Dort können sie Partner im In- und Ausland finden, um gemeinsam Austauschprojekte umzusetzen. Die Webseite wird Anfang 2026 lanciert. Wir erhoffen uns davon neue, spannende Angebote.
Wie möchte Movetia den Austausch in der Berufsbildung langfristig weiterentwickeln?
Meine Zielvorstellung ist, dass bis 2035 der nationale und internationale Austausch in der Berufsbildung zur Normalität wird und als Innovationstreiber anerkannt ist. Der Schlüssel liegt in der interkantonalen Zusammenarbeit und im Dialog unter den Bildungspartnern. Mobilität und Austausch leisten einen wichtigen Beitrag zum nationalen Zusammenhalt – dafür engagieren wir uns.
Infobox
Movetia ist das Kompetenzzentrum zur Förderung von Austausch und Mobilität im Bildungsbereich. Im Auftrag von Bund und Kantonen unterstützt die Agentur entsprechende Projekte finanziell. Die Oertli-Stiftung fördert den Dialog zwischen den vier Sprachregionen in der Schweiz. Ende November vergab sie gemeinsam mit Movetia erstmals den mit 30'000 Franken dotierten Nationalen Austauschpreis.
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