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«Es ist wichtig, dass Eltern mit ihren Kindern über Geld reden»

   

«Der erste Lohn ist ein bedeutender Schritt auf dem Weg ins Erwachsenenleben», sagt Sabrina Wachter von Pro Juventute.   Bild Rolf Marti
«Der erste Lohn ist ein bedeutender Schritt auf dem Weg ins Erwachsenenleben», sagt Sabrina Wachter von Pro Juventute. Bild Rolf Marti

23.07.22 / Können Lernende frei über ihren Lohn verfügen? Wie lernen sie, sinnvoll mit ihrem Einkommen umzugehen? Solche und weitere Fragen stellen sich zu Beginn der Lehre. Sabrina Wachter antwortet. Sie ist Programm-verantwortliche Finanzkompetenz bei Pro Juventute Schweiz.

Rolf Marti

Frau Wachter, was haben Sie mit Ihrem ersten Lohn gemacht?
Ich habe Freundinnen und Freunden in der Beiz eine Runde spendiert … (lacht). Danach bin ich lange sehr sparsam mit meinem Lohn umgegangen. Ich musste mich daran gewöhnen, über mehr Geld zu verfügen.

Anfang August starten schweizweit über 70 000 Jugendliche eine berufliche Grundbildung und erhalten zum ersten Mal regelmässig Lohn. Was macht das mit ihnen?
Es erweitert ihre Möglichkeiten. Sie können sich plötzlich Dinge leisten, die vorher ausser Reichweite waren. Das ist schön. Der erste Lohn bringt aber auch mehr Verantwortung mit sich. So müssen Jugendliche für Ausgaben aufkommen, die zuvor die Eltern getragen haben. Sie müssen also lernen, ihr Geld einzuteilen und Versuchungen zu widerstehen. So gesehen ist der erste Lohn ein bedeutender Schritt auf dem Weg ins Erwachsenenleben.

Viele Lernende gehen davon aus, dass sie frei über ihren Lohn verfügen können – also ihr Geld für Freizeit und Konsum ausgeben dürfen.
Im Gesetz steht, dass ein Einkommen durch eigene Arbeit unter Verwaltung und Nutzung des Kindes steht. Kurz: Der Lohn gehört den Jugendlichen. Es steht aber auch, dass das Kind einen angemessenen Beitrag an seinen Unterhalt leisten muss.

Jugendliche müssen also mit ihrem Lohn gewisse Lebenshaltungskosten finanzieren?
Ja, das ist aus pädagogischer Sicht auch wünschenswert. Die Jugendlichen lernen so, welche Lebenshaltungskosten jeden Monat anfallen – beispielsweise für den Arbeitsweg, das Handy-Abo oder die Verpflegung am Mittag – und dass in der Regel nur ein kleiner Teil des Lohns für Freizeit und Konsum bleibt. Die Jugendlichen müssen also Verantwortung im Umgang mit Geld und Konsum übernehmen.

Welchen Anteil dürfen Eltern vom Lehrlingslohn ihrer Kinder für das Wohnen und Essen zu Hause beanspruchen?
Das Wort «angemessen» im Gesetz bezieht sich auf die Höhe des Lehrlingslohns und auf die finanziellen Möglichkeiten der Eltern. Was «angemessen» ist, muss am Familientisch ausgehandelt werden.

Solche Diskussionen haben Konfliktpotenzial.
Ja. Dann ist es Aufgabe der Eltern, Verständnis für ihre Haltung zu schaffen und beim Argument «meine Freundinnen und Freunde müssen nichts abgeben» standhaft zu bleiben. Es ist wie immer in Erziehungsfragen: Die Eltern müssen Werte setzen und durchsetzen. Das Richtbudget einer Fachstelle kann als Grundlage für die Diskussion dienen, wie hoch der Beitrag an die Lebenshaltungskosten sein soll (siehe Kasten).

Nicht allen fällt es leicht, mit Geld haushälterisch umzugehen. Was empfehlen Sie Jugendlichen, die Mühe damit haben?
Wir empfehlen Jugendlichen und Eltern, vor der Lehre gemeinsam ein Budget zu erstellen. Dazu gibt es Beispiele von Fachstellen. Folgende Tipps helfen, das Geld gut einzuteilen: ein Bezugslimit für das Konto festlegen, Daueraufträge einrichten, regelmässig einen Betrag auf ein Sparkonto überweisen und Spartipps umsetzen, wie das Mittagessen von zu Hause mitnehmen. Vielleicht ist es auch sinnvoll, zu Beginn der Lehre über die Ausgaben Buch zu führen, um einen Überblick zu erhalten, wo wie viel ausgegeben wird.

Wenn all das nicht hilft: Wo erhalten Jugendliche und Eltern Unterstützung?
Wenn der Umgang mit Geld zum Dauerproblem wird oder gar Schulden entstehen, sollte man sich an die Budgetberatung oder die Schuldenberatung wenden (Kasten). Für eine Erstberatung steht auch die Pro Juventute zur Verfügung. Aber auch eine Vertrauensperson aus dem Umfeld der Familie kann eine Hilfe sein.

Wie oft kommt es vor, dass Lernende mit ihrem Geld nicht umgehen können?
Ich würde sagen: Die meisten kommen gut damit zurecht, für andere ist es ein Lernprozess, der zum Erwachsenwerden gehört. So oder so: Es ist wichtig, dass Eltern mit ihren Kindern über Geld reden. So können Schwierigkeiten vermieden oder rechtzeitig erkannt werden.

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