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«Die Berufslehre ist eine Schule fürs Leben»

   

Erlebte einen idealen Start ins Berufsleben: Philippe Wingeier        Bild Peter Brand
Erlebte einen idealen Start ins Berufsleben: Philippe Wingeier Bild Peter Brand

09.07.22 / Von der Lehre in die Chefetage – das ist heute ein erfolgreiches Karrieremuster. Das zeigt das Beispiel von Philippe Wingeier. Er startete mit einer Lehre als Zimmermann ins Berufsleben. Heute ist er Mitglied der Geschäftsleitung Frutiger Gruppe in Thun.

Peter Brand

Herr Wingeier, wenn Sie an Ihre Berufswahl zurückdenken: Was gab damals den Ausschlag für den Zimmermann?
Ich wollte immer etwas mit Holz machen. Mein Vater war Chef eines Schreinereibetriebs. Ich hielt mich oft in diesen Räumlichkeiten auf und fertigte alle meine Weihnachtsgeschenke aus Holz an. Die Schreinerarbeit schien mir jedoch etwas zu genau. Ich wollte gröber und grösser arbeiten, draussen sein und im Team arbeiten. Somit lag der Zimmermann auf der Hand.

Wie erlebten Sie die Lehrzeit?
Bereits am ersten Tag wurde ich ins kalte Wasser geworfen. Meine Aufgabe war es, Zapfenlöcher zu stemmen. Mir war nicht klar, dass man diese Arbeit immer von der gleichen Seite ausführen muss. Ich schnitt mal von dieser Seite, mal von der anderen. Das war ein Fehler, aber zugleich lernte ich daraus. Die Arbeit beanspruchte mich körperlich. Am Abend war ich hundemüde. Den ganzen Tag zu stehen und in dieser Intensität zu arbeiten, war ich mir nicht gewohnt.

Nach der Lehre absolvierten Sie die Berufsmaturität und studierten an der Fachhochschule Holzingenieur. Was motivierte Sie dazu?
Ich wollte mich weiterbilden und Verantwortung übernehmen. Dennoch brauchte es ein wenig einen «Stupf» meines Vaters. Er war überzeugt, dass die Berufsmaturität ein guter Weg für mich wäre. Und er sollte recht behalten. Ich begann gleich nach der BMS mit dem Studium. Die Studienrichtung war gegeben, denn etwas anderes als Holzingenieur zog ich gar nicht in Betracht.

Wie entwickelte sich Ihre Laufbahn weiter?
Ich arbeitete in einem Start-up-Unternehmen, das sich auf Holzspanisolationen spezialisiert hatte. Da die finanziellen Mittel fehlten und die Technik noch zu wenig ausgereift war, traf auch der Lohn nicht regelmässig ein. Daher zog ich nach einem halben Jahr die Notbremse. Danach arbeitete ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent an der Fachhochschule und absolvierte nebenbei eine Weiterbildung in Betriebswirtschaft.

Der nächste Karriereschritt führte Sie in den Holzbau der Frutiger Gruppe in Thun. Nach fünf Jahren übernahmen Sie die Leitung der Tochterfirma Diamantbohrgruppe. Wie erlebten Sie diesen Wechsel?
Zuerst dachte ich als stolzer Holzbauer, dass Betonlöcher zu bohren wohl nicht meine Erfüllung sein könne. Dann wurde mir aber bewusst, welche grosse Chance mir da offeriert wurde. Ich nahm die Herausforderung an und lernte unternehmerisch enorm viel. Ich brachte neue Ideen ein und hatte Erfolg damit.

Ab 2017 leiteten Sie den Bereich Spezialitäten mit 1’000 Mitarbeitenden. Was genau umfasst das?
Die Spezialitäten umfassen alles, was nicht Hoch- und Tiefbau ist. Das Bohren und Schneiden, die Erdwärmesonden, den Werkhof, die Bodenbelagstechnik, die Maler- und Gipserarbeiten, die Steinbrüche und das Belagswerk sowie den Einkauf. Ich brauche als Generalist Grundwissen in allen Gebieten. Das erlaubt mir, mitzureden und die richtigen Fragen zu stellen.

Seit Anfang Jahr stehen Sie dem Bereich Hochbau der Frutiger Gruppe vor. Wie muss man sich Ihren Arbeitsalltag vorstellen?
Ich bin häufig im Büro, an Sitzungen, aber oft auch unterwegs auf den Baustellen, um den Puls zu spüren. Auch für die Kundenkontakte nehme ich mir die nötige Zeit. Ich gehe gerne auf Leute zu, führe gerne, habe keine Angst vor Entscheiden, mag das Verhandeln und will Vorbild sein für die Mitarbeitenden.

Wenn Sie zurückdenken: War die Lehre ein guter Start ins Berufsleben?
Der eingeschlagene Weg war für mich genau richtig. Die Arbeit als Zimmermann erdete mich und lehrte mich Demut. Ich lernte, hart zu arbeiten und die Leute auf allen Stufen zu akzeptieren. Die Berufslehre ist eine Schule fürs Leben.

Was haben Sie als Zimmermann gelernt, das für Sie heute noch unverzichtbar ist?
Als ehemaliger Handwerker sehe ich, ob Arbeitsabläufe richtig oder falsch sind. Ich sehe, wie man etwas anders machen könnte und ob es einen oder zwei Mitarbeitende für die Arbeit braucht. Ich weiss zudem, was es heisst, acht oder neun Stunden auf der Baustelle zu sein. Dadurch verstehe ich die Anliegen meiner Mitarbeitenden besser, weiss aber auch, was ich einfordern kann.  

Das Unternehmen

Die Frutiger Gruppe ist ein seit 1869 verankertes Familienunternehmen im Bau- und Immobilienbereich. Sie umfasst 23 Tochterunternehmen und beschäftigt 2’700 Mitarbeitende.
www.frutiger.com

Der Link

Weitere Karriereportraits finden Sie unter:
www.1000chancen.ch

Berufs- und Ausbildungsmesse BAM

Die BAM.LIVE findet vom 25. bis 28. August 2022 auf BERNEXPO-Gelände statt. Sie richtet sich an Schülerinnen und Schüler in der Berufswahl und deren Eltern. Der Eintritt ist kostenlos. Das Ticket kann online gelöst werden. Die nächste BAM.CONNECT findet am 16./17. & 20. März 2023 statt

Mehr: www.bam.ch / www.connect.bam.ch

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