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«Der Kanton Bern hat eine besonders verantwortungsvolle Aufgabe»

Die Jugendlichen sollten die Ausbildung wählen können, die ihren Fähigkeiten und ihrer Situation am besten entspricht: Renato Kuonen. Bild: Peter Brand

       

Wie steht es eigentlich um die Chancengleichheit an den Berner Mittelschulen? Nachgefragt bei Renato Kuonen, Abteilungsleiter Mittelschulen am Mittelschul- und Berufsbildungsamt MBA.

Peter Brand

Herr Kuonen, Sie sind seit Kurzem Abteilungsleiter Mittelschulen des Kantons Bern. Sind Sie gut in Ihr neues Amt gestartet?
Der Übergang war intensiv, aber sehr stimmig. In den Monaten Mai und Juni wurde ich im Rahmen eines 50-Prozent-Pensums von meinem Vorgänger eingearbeitet. Die wichtigsten Abläufe auf diese Weise bereits einmal durchspielen zu können, war sehr hilfreich. Das hat den Einstieg enorm erleichtert.

Welche Themen treiben Sie aktuell um?
Ein Thema, das uns beschäftigt, ist die Ukraine. Unser Ziel ist es, diesen Menschen die für sie passenden Bildungsangebote zur Verfügung zu stellen. Und auch die Energieknappheit ist aktuell ein Thema.

Sie haben für dieses Interview das Thema Chancengleichheit vorgeschlagen. Warum?
Für mich ist es wichtig, dass die Jugendlichen ihr Potenzial längerfristig gesehen abrufen können und mit 25 Jahren dort stehen, wo sie ihren Fähigkeiten und Neigungen entsprechend stehen möchten. Der Kanton Bern hat diesbezüglich eine besonders verantwortungsvolle Aufgabe.

Inwiefern?
Wir haben sehr urbane, aber auch stark ländliche Gebiete – und wir haben zwei Sprachregionen. Da ist eine gute dezentrale Abdeckung der Mittelschulen wichtig. Diese müssen wir sorgfältig weiterentwickeln und dafür sorgen, dass neue Vorgaben auch tatsächlich in allen Regionen des Kantons abgedeckt werden können. Im Bereich Chancengleichheit hat der Kanton Bern in den letzten Jahren viel gemacht und einiges erreicht. Beispielsweise ist der Anteil an Frauen mit Hochschulzugang markant gestiegen.

Im Vorgespräch sagten Sie, dass «die Wahrscheinlichkeit, dass jemand einen Hochschulzugang erlangt, in der Schweiz überdurchschnittlich stark vom Bildungsstand der Eltern abhängt» – was dann klare Chancenungleichheit wäre …
Chancenungleich wäre es, wenn keine Massnahmen und Möglichkeiten vorhanden wären, um diese ungleichen Voraussetzungen auszugleichen. Solche existieren aber. Chancengleichheit bedeutet nicht, dass die Übertrittsquoten überall gleich sein müssen. Es kann sein, dass trotz gleichen Möglichkeiten Jugendliche je nach Region andere Präferenzen oder Vorbilder haben. Chancengleichheit heisst auch nicht, dass alle Jugendlichen mit Potenzial zwingend ins Gymnasium müssen. Sie sollten vielmehr die Ausbildung wählen können, die ihren Fähigkeiten und ihrer jeweiligen Situation am besten entspricht. Wichtig ist, dass am Ende einer Ausbildung nicht «Ende der Fahnenstange» ist.

Gibt es auch Gymnasiastinnen und Gymnasiasten, die ihr eigentliches Potenzial in der Mittelschule nicht optimal ausschöpfen?
Ja. Ich denke zum Beispiel an Gymnasiastinnen und Gymnasiasten, an denen handwerkliche Talente verloren gehen, weil sie aufgrund ihrer Herkunft möglicherweise nicht die ganze Palette an Ausbildungen und Berufen für sich in Erwägung gezogen haben. Die gute Nachricht: Dank der ausgezeichneten Durchlässigkeit in den Bildungsangeboten des Kantons ist es auf lange Sicht gut möglich, dies später in beide Richtungen zu korrigieren.

Wo genau könnte der Hebel angesetzt werden, um die Chancengleichheit zu verbessern?
Wichtig ist eine sorgfältige Berufs- und Studienwahl. Diesbezüglich leisten die BIZ sehr gute Arbeit und informieren die Jugendlichen breit über die verschiedenen Möglichkeiten und beraten sie auf ihrem Weg. Weiter sollte bei den potenziell hemmenden Faktoren angesetzt werden. Beispielsweise könnten die Schülerinnen und Schüler in ihrem Selbstvertrauen gestärkt werden, sodass sie sich ihr Ziel zutrauen. Möglich wäre auch ein Patensystem: Jemand aus bildungsnahem Umfeld schliesst sich mit jemandem aus bildungsfremdem Umfeld zusammen. Das führt zu neuen Erfahrungen. Oder man zieht vermehrt Bezugspersonen ausserhalb des Familiensystems hinzu, die mit dem gymnasialen Weg vertraut sind.

Zur Person

Bis zu seinem Stellenantritt als Abteilungsleiter Mittelschulen im Sommer 2022, war Renato Kuonen seit 2005 als Gymnasiallehrer für Wirtschaft und Recht sowie seit 2013 als Konrektor am Gymnasium Lerbermatt tätig. Weiter war er 12 Jahre in einem kleinen Pensum in der beruflichen Weiterbildung an der GIBB tätig. Renato Kuonen ist zweisprachig (Deutsch und Französisch) aufgewachsen, verheiratet, Vater von zwei Kindern und lebt in Toffen.

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