Der geschichtsträchtige Gasthof Kreuz war lange Zeit ein Fixpunkt im Worber Dorfkern. Ursprünglich ein bäuerlicher Wohnstock, verfügte das Gebäude seit 1879 über eine Gastwirtschaft. Im Anbau aus dem späten 19. Jahrhundert befanden sich Wohnungen und ein Saal, der das Worber Vereinsleben stark prägte. 2012 schloss das «Kreuz» seine Türen. Lange Zeit war offen, ob sich eine Käuferschaft finden würde. Die Erhaltung des schützenswerten Baudenkmals schien infrage gestellt. Im Jahr 2019 wurde der Architekt Jürg Stettler auf das Gebäude aufmerksam und erkannte dessen Potenzial: hohe Räume und eine zentrale, ruhige Lage. Mit dem Ziel, das Haus zu restaurieren und zu sanieren und die einzelnen Einheiten im Stockwerkeigentum zu veräussern, entschied er sich zum Kauf. Die vorhandenen Strukturen und die Ausstattung wollte er wo immer möglich erhalten.
Überzeugende Idee – sorgfältige Planung
Bereits vor dem Kauf wandte sich Jürg Stettler an die Denkmalpflege. Gemeinsam mit dem zuständigen Bauberater analysierte er das Gebäude und steckte den Spielraum für Eingriffe ab. Anschliessend nahm er sich Zeit, das Haus gründlich kennenzulernen, den Umbau zu planen und Leute zu suchen, die sich für ein Baudenkmal begeistern liessen. Seine Idee überzeugte: Es fanden sich problemlos Käuferinnen und Käufer für die Wohnungen. Das Umbauprojekt entstand in enger Zusammenarbeit mit spezialisierten Handwerkern, einem Bauphysiker, der Denkmalpflege, der Gemeinde und den Fachbehörden. Das Bestehende wurde repariert und wo nötig aufgerüstet, alles Neue nach neuestem Standard ausgeführt. Massnahmen für Wärmedämmung, Brandschutz und Schallschutz sind auf das Baudenkmal zugeschnitten.
«Kreuz»-Geist bleibt erhalten
Mit dem «Kreuz» besteht ein wichtiges Element des Ortsbildes und der Dorfgeschichte von Worb weiter. Jürg Stettler hat mit seinem Projekt bewiesen, dass ein Investor mit entsprechendem Planungswillen ein Baudenkmal gewinnbringend in die Gegenwart holen und zugleich in seiner Substanz erhalten kann. Der Umbau ist ausserdem ein schönes Beispiel für Verdichtung im historischen Baubestand. Mit der Gaststube und dem Saal bleibt ein Stück des alten «Kreuz»-Geists bewahrt. Die Türen des Ateliers im Saal werden zudem in Zukunft regelmässig fürs Publikum aufgehen.
Spezialpreis 2024: grüne Oase am Seeufer
Der Spezialpreis der Fachkommission für Denkmalpflege legt das Augenmerk generell auf die beispielhafte Restaurierung eines bedeutsamen Baudenkmals. 2024 geht die Auszeichnung an das Amt für Stadtliegenschaften Thun für die behutsame Weiterentwicklung des Bonstettenparks. Das beliebte Naherholungsgebiet, benannt nach der letzten Besitzerfamilie, gehört zur Campagne Bellerive. Die Anlage mit imposanten Alleen und einem auf Eiger, Mönch und Jungfrau ausgerichteten Kanal vereint historische Gestaltungsentwürfe aus dem 18. und dem 20. Jahrhundert.
Masterplan mit Massnahmenbündel
Seit 1960 ist der Bonstettenpark öffentlich zugänglich. Unterschiedliche Nutzungsansprüche liessen den Ort in den folgenden Jahrzehnten zu einem Sammelsurium von Bedürfnissen und Möglichkeiten werden. Das Bestreben, die Anlage zu sanieren und aufzuwerten, mündete in einen städtischen Masterplan. Dessen Kernstück bildete ein umfassendes, durchgeplantes Bündel an Massnahmen. So wurde etwa der Kanal vom Schilf befreit und auf seine ursprüngliche Tiefe ausgehoben. Inspiriert von Projekten von 1930 wurde er um ein Abschlussbecken mit Treppenanlage und im Mündungsbereich um einen einfachen Steg in den See erweitert. Spiel- und Parkplatz verlegte man an auf die Nordseite des Parks.
Nutzungsansprüche entflochten
Das Engagement aller Beteiligten machte es möglich, die unterschiedlichen Nutzungsansprüche zu entflechten. Dabei blieb die historische Struktur der Anlage gewahrt und entfaltet neue Wirkung. Die Ausarbeitung des Masterplans inklusive Betriebs- und Pflegeplan erfolgte unter der Leitung eines erfahrenen Landschaftsarchitekten. Der Weiterbetrieb des angegliederten Bauernhofs ist dabei ebenso zentral wie die Nutzung der Campagne durch die Musikschule. Diese Nutzungsentscheide zeugen von einer durchdachten Strategie der Stadt Thun, sie tragen zur vielfältigen Belebung des beliebten Naherholungsgebietes bei.
Preisverleihungen im kleinen Rahmen
Die Übergabe der Urkunden zum Denkmalpflegepreis und zum Spezialpreis findet in Worb und in Thun in kleinem Rahmen für geladene Gäste direkt vor Ort statt.
Öffentliche Führung im Bonstettenpark: Samstag, 15. Juni 2024, 14.30 Uhr
Spaziergang durch den Bonstettenpark mit Franziska Streun (Autorin «Die Baronin im Tresor») und René Koelliker (Denkmalpflege des Kantons Bern). Kosten: 20 Franken. Anmeldung an Tel. 031 633 40 30 oder per Mail an denkmalpflege@be.ch.
Weitere Informationen: www.be.ch/denkmalpflege
Denkmalpflegepreis und Spezialpreis
Die Denkmalpflege und die Fachkommission für Denkmalpflege des Kantons Bern vergeben den Denkmalpflegepreis gemeinsam mit der Fachzeitschrift «UMBAUEN+RENOVIEREN» als Medienpartnerin seit 2010 an eine Bauherrschaft, die in Zusammenarbeit mit der Fachstelle ein Baudenkmal mit Alltagsnutzung sorgfältig restauriert und nach den eigenen Bedürfnissen weiterentwickelt hat. Der Spezialpreis wird seit 2014 vergeben. Er richtet das Augenmerk generell auf die beispielhafte Restaurierung eines bedeutsamen Baudenkmals.
Mediendokumentation
- Das frisch vergoldete Kreuz an der Fassade des ehemaligen gleichnamigen Gasthofs in Worb. (Bild: Roland Juker)
- Mit dem ehemaligen Gasthof Kreuz besteht ein wichtiges Element des Ortsbildes und der Dorfgeschichte von Worb weiter. (Bild: Roland Juker)
- Der Anbau des ehemaligen Gasthofs Kreuz blieb trotz seines schlechten Zustands erhalten. Das Dach wurde einschliesslich der dekorativen Details ersetzt. (Bild: Roland Juker)
- Die frühere Gaststube des Gasthofs Kreuz ist heute eine grosszügige Wohnküche. (Bild: Nicole Stadelmann)
- Inspiriert von Projekten von 1930 entstand in Verlängerung der nördlichen Allee im Bonstettenpark ein neuer Steg. (Bild: Hans Mischler)
- Der Kanal im Bonstettenpark schafft die optische Verbindung zwischen der Campagne Bellerive und dem Thunersee. (Bild: Hans Mischler)